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Die fünfzehnjährige Adèle wird von ihren Freundinnen darauf hingewiesen, dass ein älterer Junge aus ihrer Schule offensichtlich auf sie steht. Sie verabredet sich mit ihm, die beiden lernen sich kennen und Adèle macht mit dem Jungen ihre ersten sexuellen Erfahrungen.
Alles scheint prima zu sein, doch reicht ein einziger kurzer Blickkontakt auf der Straße mit einer ihr unbekannten jungen Frau mit blau gefärbten Haaren, um Adèles Gefühlsleben vollkommen durcheinanderzubringen. Diesen neuen Gefühlen nachzugeben, fühlt sich riskant und ein wenig beängstigend an – kann sie ihren Empfindungen trauen, will sie das überhaupt, und was würden ihre Freunde, Mitschüler und Eltern wohl dazu sagen...
Nach Vorlage eines gleichnamigen französischen Comicbuchs entstand 2013 der Film „Blau ist eine warme Farbe“, für den Regisseur Abdellatif Kechiche ganze 750 Stunden drehte, um das gesammelte Material auf „nur“ noch drei Stunden zusammenzukürzen. Das Schnitt-Team umfasste immerhin fünf Personen. Die bis hierher genannten Zahlen sprechen nicht unbedingt gegen die Vorwürfe der beiden Hauptdarstellerinnen Adèle Exarchopoulos und Léa Seydoux, ihr Regisseur habe nie wirklich gewusst, was er will.
Eventuell wollte sich Kechiche schlicht möglichst viele künstlerische Optionen für den Prozess der Nachbearbeitung offen lassen. Und auch wenn dies die Dauer der Dreharbeiten mehr als verdoppelte, und dem Cast über lange Zeit noch mehr abverlangt wurde als ohnehin in der Branche üblich, kam ein mit gewissen Ausnahmen mehr als achtbares Ergebnis dabei herum, was mit der Goldenen Palme von Cannes 2013 belohnt wurde.
Die emotionale Achterbahnfahrt wird vor allem auch wegen toller Leistungen der beiden genannten Frauen zu keiner Zeit langweilig. Erzählt wird vorrangig die Geschichte von Adèle, deren Leben aber über weite Strecken von ihrer Freundin Emma gewollt oder ungewollt beeinflusst wird. Als junge Teenagerin sehen wir sie ganz klassisch ein wenig orientierungslos durch das Labyrinth des Erwachsenwerdens irren, geprägt von einer Schule, in der man kontinuierlich genauestens beobachtet und jeder vermeintliche Fauxpas von Gleichaltrigen bestraft wird.
Exarchopoulos zeigt uns über die Jahre stetig die Seite eines verletzlichen jungen Mädchens, wirkt nur im beruflichen Umfeld selbstsicher und stark. Wann immer sie aber buchstäblich Rotz und Wasser heult, ist dies zum Steinerweichen. Adèle beweist sehr viel Mut, indem sie ihrem Herzen nachgibt, obwohl einer glücklichen Zukunft erkennbar einige Hindernisse im Weg stehen. In dieser Hinsicht ist sie ein Vorbild, auch wenn es niemals eine Garantie auf ein Happy End gibt.
Berechtigter Angriffspunkt an der Produktion sind die mehrfachen, ausgesprochen expliziten Sexszenen, die es in diesem Ausmaß und in der Häufung nicht gebraucht hätte. Szenen, während derer man sich instinktiv wünscht, sie wären wenigstens von einer Frau gedreht worden, um im Raum stehende, nachvollziehbare Vorwürfe von vorneherein auszuschließen. Sicher transportieren sie Geschmack und Leidenschaft, schrammen aber auch sehr hart an der Grenze zur Pornographie entlang. Léa Seydoux beklagte sich im Nachhinein zeitweise darüber, sie habe sich während der Dreharbeiten wie eine Prostituierte gefühlt. Einen dringend benötigten Intimacy Coach scheint es insoweit am Set wohl nicht gegeben zu haben.
So liegt also ein Schatten zumindest über Teilen der Produktion von „Blau ist eine warme Farbe“. Das ist bedauerlich, denn Filme, die dazu ermutigen, sich auszuprobieren, seinen Gefühlen und seinem Herzen zu folgen (nicht nur in Liebesdingen), kann es eigentlich nicht genug geben. Vor allem solche, die uns auf so schöne Weise aufzeigen, dass wir gut und richtig sind, wie wir eben sind, und niemandem zu gefallen versuchen brauchen außer uns selbst.
]]>Moskau in den 1930er Jahren: der Schriftsteller Nikolaj Maksudov, auch „der Meister“ genannt, reagiert sehr ungehalten, als sein bereits vor der Premiere stehendes neuestes Theaterstück „Pontius Pilatus“ wegen angeblich staatsfeindlicher Inhalte verboten werden soll. In Margarita, seiner neuen Geliebten, findet er eine treue Fürsprecherin und Unterstützerin, während immer härterer Druck auf ihn ausgeübt wird, sein Stück freiwillig zurückzuziehen.
Zu dieser Zeit erscheint auch ein gewisser Professor Voland, Experte für schwarze Magie, mit zwei sehr merkwürdigen Gefährten in Moskau. Voland zeigt sich sehr engagiert, einen Gottesbeweis zu führen, und der Meister und sein neues religionsbezogenes Stück scheinen es ihm in Bezug auf diese Absicht angetan zu haben...
Wo gerade erst eine neue, russische Verfilmung des Romans „Der Meister und Margarita“ von Michail Bulgakow in die deutschen Kinos kam, schien die Gelegenheit end, sich auch einmal die frühere, italienisch-jugoslawische Filmfassung aus dem Jahr 1972 von Regisseur Aleksandar Petrovic anzuschauen. Und einen der größten Unterschiede erkennt man bereits im Vorhinein an der Länge der beiden Produktionen. Petrovics Film läuft gerade einmal 95 Minuten, der von Michael Lockshin gut eine Stunde länger – und selbst dann ist es immer noch ambitioniert, alle wesentlichen Inhalte des Buches unterzubringen.
So erstaunt es nicht und ist auch grundsätzlich akzeptabel, dass verschiedene Nebencharaktere der knappen verfügbaren Zeit gänzlich zum Opfer fallen. Deutlich bedauerlicher ist, dass die Erzählstruktur den Eindruck einer Inhaltsangabe vermittelt, und zwar unabhängig davon, ob man die Buchvorlage kennt oder nicht. An allen Ecken und Enden fehlt der nötige Tiefgang, damit die gezeigten Ereignisse uns als Publikum überhaupt berühren könnten.
Margarita beispielsweise, immerhin eine der beiden titelgebenden Figuren des Romans, spielt für die ganze Geschichte so gut wie keine Rolle. Sie und der Meister verlieben sich binnen Sekunden, als hätten sie beide noch dringende Anschlusstermine, verzeichnen danach aber kaum noch Interaktionen miteinander. Zudem wurden einige Szenen in ihrer Reihenfolge ziemlich durcheinandergewirbelt, und dies anscheinend nicht künstlerisch begründet, sondern um die Story möglichst straff und gebündelt erzählen zu können. Die komplette Thematik vom Roman im Roman, und damit auch die Frage, wie viel des Gesehenen aus der Perspektive des Meisters überhaupt real war, und wie viel Fantasie, wird gerade mal offenbar schuldbewusst in den allerletzten Bildausschnitt gequetscht.
Gut gelungen sind Professor Voland und seine beiden äußerst schrägen Diener, wobei auch der Anlass für ihre unerwartete Präsenz kaum thematisiert wird. Großer Pluspunkt für die deutsche Fassung ist Wolfgang Hess als Stimme von Azazelo, der diesen ähnlich wie seinen üblichen Bud Spencer anlegt, was t wie die Faust aufs Auge. Kompliment auch für den Einsatz einer realen schwarzen Katze – natürlich in Ermangelung von Spezialeffekten, wie sie aktuell zum Einsatz kommen. In der Hoffnung, dass die Katze am Set anständig behandelt wurde, ist beachtlich und erwähnenswert, wie gut diese trainiert worden zu sein scheint.
Auch wenn es bis vor kurzem einfach noch nichts Besseres gab, wird die 1972er Verfilmung kein Grund zum frenetischen Jubel für die Fans des Buches „Der Meister und Margarita“ gewesen sein. Dafür fehlt es inhaltlich einfach zu sehr an allen Ecken und Enden. Dass der Stoff dennoch einen Teil seiner vorhandenen Faszination nicht verloren hat, ist eher als Lob an Bulgakow und seine bewundernswerte Vorlage zu sehen, als an diese zumindest handwerklich für die Maßstäbe der damaligen Zeit mehr als ordentlich gemachte Adaption.
]]>Frans größtes Talent ist die Pflege ihrer Tabellen in der Arbeit. Was ihr hingegen großes Unbehagen verursacht, sind Interaktionen mit anderen Menschen. Zwischendurch fantasiert die introvertierte junge Frau unwillkürlich immer wieder von ihrem eigenen Tod, fährt abends nach Hause und existiert dort weiter vor sich hin.
Robert, der neue Kollege, macht es sich insgeheim zur Aufgabe, Frans Schutzpanzer zu überwinden, und tatsächlich willigt sie ein, den Filmliebhaber ins Kino zu begleiten. Doch bei dem Versuch, sie ein wenig besser kennenzulernen, beißt Robert sich immer wieder die Zähne aus...
Aus dem Theaterstück „Killers“ von Kevin Armento wurde zunächst ein gleichnamiger Kurzfilm. Dann machte er gemeinsam mit Regisseurin Rachel Lambert und Co-Autorin Katy Wright-Mead einen abendfüllenden Spielfilm daraus, der hierzulande den verträumten Titel „Daydreams“ trägt, im Original allerdings mit „Sometimes I think about dying“ zurecht gleich wesentlich mehr Schwermut transportiert.
Wir begleiten über 93 Minuten Fran durch ihren Alltag, schaffen es dabei aber ebenso wenig, ihr auf den Zahn zu fühlen, wie ihr neuer Kollege und Verehrer Robert, wobei es geradezu rührend drollig ist, ihn bei seinen sehr einfallsreichen, aber endlos plappernden Versuchen zu beobachten. Die Hintergründe für ihr Verhalten werden uns nicht explizit verraten und bieten daher Anlass zu Spekulationen. Auch wenn nicht zuletzt ihre wiederkehrenden Todesgedanken eine Depression nahelegen, könnten zum Beispiel auch eine Sozialphobie oder ein ausgeprägt introvertierter Charakter eine Rolle spielen, oder auch ein bisschen von alldem.
Die ersten Minuten des stimmungsvoll und schön gefilmten Intros vermitteln ausgezeichnet Langsamkeit und Eintönigkeit in Frans Lebensraum und Alltag, und lassen uns Ohrenzeugen des schwer erträglichen Gequatsches ihrer Kollegen werden. Es sind lauter Sätze, die im Grunde inhaltsleer und unverfänglich nur der Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen dienen oder schlicht Zeit totschlagen sollen, die man so oder so ähnlich selbst schon eintausend Mal oder mehr gehört und selbst gesagt hat. Anhand der Kameraeinstellung erleben wir dies ähnlich wie Fran, nämlich distanziert, unbeteiligt, aber auch unmöglich zu ignorieren.
Wenn auch die Auswirkungen von Depressionen vielschichtig sein können, werden Betroffene in Fran wohl schon bald eine Leidensgenossin erkennen. Seelisch gesunden Zuschauern hingegen überträgt sich Frans Gefühlswelt möglicherweise nicht derart unmittelbar: die Welt einer Frau, die nicht so recht am Kosmos ihrer Mitmenschen teilnehmen kann, und das auch gar nicht wirklich will, außer manchmal, was es noch schwieriger macht.
Ich will nicht verhehlen, dass in gewisser Weise Einschlafpotential bei „Daydreams“ besteht, einfach weil er sich selbst so sensibel, in derart langsamem Tempo und ohne große dramatische Höhepunkte erzählt. Optische Highlights sind die Visualisierungen von Frans Tagträumen, die unter Roberts Einfluss einen Tick positiver werden, und das leise aber dafür umso nuanciertere, geradezu chirurgisch präzise Spiel von Daisy Ridley, bei dem sich genaues Hinschauen auszahlt. Wer bis zum Finale der Story über diese Frau dranbleibt, die sich ungewollt manchmal selbst im Wege steht, erlebt dafür umso intensiver die emotionale Wucht der Schlussszene, die richtig schlucken lässt. Ridleys Aussage, sie könne sich in gewissen Punkten sehr gut in Fran hineinversetzen, glaubt man ihr sofort, womit das Lob für ihre tolle schauspielerische Leistung nicht geschmälert werden soll.
]]>Nachdem der Pferdehändler Michael Kohlhaas auf dem Weg zum Markt gezwungen wird, zwei wundervolle Rappen als Pfand für Wegezoll zurückzulassen, findet er diese nach seiner Rückkehr geschunden, abgemagert und schwer verletzt vor. Er weigert sich, seine Pferde in diesem Zustand wieder anzunehmen, doch seine Klage am Gericht wird aufgrund von Beziehungen abgewiesen.
In seinem starken Gerechtigkeitssinn erschüttert, will Kohlhaas versuchen, sich an die nächsthöhere Instanz zu wenden. Doch die Fronten verhärten sich und das Schicksal nimmt seinen Lauf. Kohlhaas glaubt nun, nichts mehr zu verlieren zu haben, und beginnt damit, sich auch entsprechend zu verhalten...
In einer deutsch-französischen Koproduktion, unter anderem mit Beteiligung von ZDF und arte, machte sich Regisseur und Drehbuch-Autor Arnaud des Pallières an die Verfilmung der Novelle „Michael Kohlhaas“ des Schriftstellers Heinrich von Kleist, der sich für sein Werk wiederum an der wahren Geschichte der historischen Person Hans Kohlhase orientierte. In allen drei Fällen wird von einem Aufbegehren gegen Ungerechtigkeiten erzählt, vom beinahe zügellosen Drang nach Vergeltung, der früher oder später fernab seiner ursprünglichen inhaltlichen Ursachen zum Selbstzweck hin entgleitet.
War schon ganz zu Beginn ein wenig fraglich, ob das vergleichsweise geringe Unrecht all der Mühen und des zu erwartenden Ärgers wert sei, wird das Missverhältnis zwischen Aufwand und Ertrag, das Ausmaß des zur Wiederherstellung des Rechts notwendigen Leids, immer größer. Und irgendwann, so scheint es, ist der Rachefeldzug des Michael Kohlhaas und seiner Gefährten, die sich mittlerweile um ihn geschart haben, zu weit fortgeschritten, um noch umkehren zu können. Für seine Soldaten ist Kohlhaas zudem mehr als nur ein Anführer, ja ein Sinnstifter für ansonsten verlorene Existenzen, die in seiner Mission eine Aufgabe erkennen. Der Widerstand gegen die Willkür der Obrigkeit wird für sie zum Symbol, das suggeriert, sie kämpften auch für sich selbst und ihre eigene Sache.
Des Pallières entschied sich, immer wieder fast schon irritierend lange Abschnitte ganz ohne Dialoge zu drehen, in denen vielleicht auch jegliches Wort zu viel oder wenigstens unnötig wäre. In diesen Sequenzen gilt es umso mehr, die Augen nach visuell-erzählerischen Details offen zu halten, was leider mehrfach durch unzureichende Beleuchtung erschwert bis unmöglich gemacht wird. Sicher, im 16. Jahrhundert existierte noch keine elektrische Innenbeleuchtung in Hän oder Burgen, und nachts wurden offenbar sämtliche feuerbasierten Lichtquellen gelöscht. Doch die tollen kontrastreichen Bilder, wenn sich mal ein Gesicht wirkungsvoll in einen dünnen Lichtstrahl hinein wendet, können nicht vollständig wettmachen, dass man wesentlich länger buchstäblich im Dunkeln tappt.
Hauptdarsteller Mads Mikkelsen ist wie eigentlich immer über jeden Zweifel erhaben, macht den Kohlhaas allein schon mit seiner natürlichen Aura zum faszinierenden Menschen. Gleichzeitig ist nicht zu übersehen, dass die meisten anderen Charaktere, wenn auch ebenfalls ordentlich bis sehr gut gespielt, überwiegend den Zweck erfüllen sollen, die Story des tragischen Helden zu befördern. Erwähnenswerten eigenen Tiefgang hat keine der Nebenfiguren, eventuell noch die Prinzessin (Roxane Duran).
„Michael Kohlhaas“ hat darum einerseits mit rund zwei Stunden genau die richtige Länge, nutzt diese aber nicht optimal aus, sondern lässt uns (zu) lange in Atmosphäre und nonverbaler Handlung baden, anstatt zumindest einige weitere der agierenden Personen mit etwas mehr Leben zu erfüllen. Die aufgeworfene Frage nach Verhältnismäßigkeit im Widerstand gegen die Obrigkeit wird gut und plausibel umgesetzt – es hätten aber noch weitere Inhalte hineinget.
]]>Nicole, die spießige, verkopfte Neu-Schriftstellerin und Ruby, das freizügige Camgirl, sind zwei recht unterschiedliche WG-Partnerinnen. Ausgerechnet am heißesten Tag des Sommers in Marseille bekommen sie Besuch von ihrer Freundin Élise, die Zoff mit ihrem Ehemann hat.
Noch heißer als das Wetter ist nur der süße Mann vom Balkon auf der anderen Straßenseite, der die drei Frauen tatsächlich auf ein paar Drinks zu sich einlädt. Ruby bleibt am längsten bei ihm, und kehrt erst spät nachts blutüberströmt und vollkommen apathisch zurück. Irgendetwas muss gewaltig schief gelaufen sein. Ehrensache, dass die drei Freundinnen einander dabei beistehen, dieses Problem so gut wie möglich aus der Welt zu schaffen...
Mit „Porträt einer jungen Frau in Flammen“ war Noémie Merlant als Hauptdarstellerin ein ganz großer Erfolg gelungen – der Film ist zumindest unter Cineasten längst kein Geheimtipp mehr. Für „Balconettes“, ihren zweiten Film als Regisseurin, schrieb sie mit am Drehbuch und übernahm eine der drei Hauptrollen. Doch die lobenswerte Intention ihrer Geschichte scheint diesmal beinahe das Einzige, was sich lohnt, positiv hervorzuheben.
Als Horror-Komödie wird die Produktion angepriesen und beworben, was vielleicht ein wesentlicher Fehler der zuständigen PR-Abteilung war. Denn zu lachen gibt es hier selbst für einfacher gestrickte Gemüter nicht gerade viel. Filme, die die weibliche Perspektive fördern, sind zweifelsohne wichtig und notwendig. Aber wenn zwei Freundinnen einander gegenüberstehen und sich gegenseitig gefühlt minutenlang hysterisch anschreien, dass beinahe Glas zerspringt, ist das nicht unbedingt lustig. Man mag es auch weder als positiv-feministischen, noch selbstironisch-weiblichen Humor einordnen.
Horror wiederum sucht man ebenso über ganz weite Strecken vergebens. Geringfügiges Aufkommen von Blut und Splatter, was zumindest für mich nur am Rande mit dem Horror-Genre zu tun hat, werden selbst stadtbekannten Angsthäschen höchstens einen milden Schauer über den Rücken jagen und eher Ekelgefühle hervorrufen. Stattdessen zeigen zwei von drei Hauptdarstellerinnen, namentlich Souheila Yacoub und Noémie Merlant, ungleich häufiger ihre Brüste vor, als dies zur Unterstützung der Handlung notwendig gewesen wäre – selbst dann, wenn wir Rubys Job als Online-Stripperin mit in die Gleichung einbeziehen.
Wenn man einen Teil des Films wirklich in die Kategorie „Horror“ einordnen möchte, ist dies am ehesten noch die Art und Weise männlicher Sexualität, die als extrem triebgesteuert, empathielos und übergriffig gezeigt wird, so dass einem beim Zuschauen übel werden kann – als Frau durch die Erinnerung an eigene, ähnliche Erlebnisse, als Mann eher dadurch, wie einem effektiv der Spiegel vorgehalten oder zumindest sehr einleuchtend der weibliche Blickwinkel und Empfindungshorizont erklärt wird. Ohne den Hauch eines Zweifels ist dieses Thema von größter Wichtigkeit, hat jedoch einen bei Weitem angemesseneren, enderen Rahmen verdient als missglückte Comedy und halbgare Spukgeschichten.
Möglicherweise war es eine Mischung aus Überengagement und fehlender professioneller Distanz zum gewählten Thema, die „Balconettes“ zu einem maximal durchschnittlichen Film werden ließ, der in gewissen, aber zu seltenen Momenten durchaus seine Klasse aufblitzen lässt. Merlant hat bereits bewiesen, dass sie noch viel mehr kann, und sowohl ihr selbst als auch dem so brennend wichtigen Thema der Gewalt gegen Frauen ist es zu wünschen, dass sie dies auch in Zukunft wieder zeigen wird – ob als Komödie, als Horrorfilm oder als Drama, aber unabhängig vom Genre so richtig überzeugend. Ein kleines Sonderlob gibt es noch für die Benennung des WG-Hundes: Brad, le Pit.
]]>Martas in den 2. Weltkrieg gezogener Geliebter Michele kehrte nie mehr zurück, um seinen kleinen Sohn Michelangelo kennenzulernen. Als ledige, alleinerziehende Mutter wird sie von der Dorfgemeinschaft geächtet, so dass ihre Eltern hocherfreut sind, als der alte verwitwete Bauer Gino bei ihnen um die Hand ihrer Tochter anhält.
Doch das neu in Italien eingeführte Frauenwahlrecht weckt Martas Kampfgeist. Unterstützt von Lorenzo, dem offen homosexuell lebenden Assistenten des Pfarrers, besucht sie heimlich einen Schreibmaschinenkurs und will sich einen Job suchen. Sie riskiert damit eine Menge, denn sollten ihre Eltern oder ihr zukünftiger Mann davon erfahren, drohen schmerzhafte Konsequenzen...
Ihren Roman „Mein Platz ist hier“ („Il mio posto è qui“) adaptierte die Schriftstellerin Daniela Porto gemeinsam mit ihrem Ehemann Cristiano Bortone als Regie- und Autorenduo zum gleichnamigen Film über eine Gesellschaftsstudie im Süditalien der Nachkriegszeit. Vergleiche zu „Morgen ist auch noch ein Tag“ aus dem Jahr 2023, wenn auch in jenem Fall Rom Schauplatz war, bieten sich nicht nur an, sondern drängen sich beinahe schon auf.
Das Werk von und mit Paola Cortellesi hat zweifelsohne deutlich mehr Wucht, wirkt frecher und moderner, gönnt dem Publikum bei aller Dramatik feinfühlig auch immer wieder sehr humorvolle Momente, legt allerdings den Fokus ganz auf die Rolle der Frau, während Porto eben zusätzlich dem schweren Stand Homosexueller einen wesentlichen Platz in ihrer Geschichte einräumt. Die Gemeinsamkeiten beider Filme sind vielleicht noch wichtiger. Beide Stories spielen kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs, in einer Zeit des großen Umbruchs und zu Beginn eines kulturellen Wandels. Und beide Produktionen wurden regelrechte Kassenschlager.
Die Ursache hierfür sehen Manche darin, dass sich maßgebliche Bestandteile des Patriarchats bis in die Gegenwart gehalten haben, und die Diskriminierung von Minderheiten immer noch weit verbreiteter Konsens ist. So ist auch „Mein Platz ist hier“ eben mehr als nur ein historischer Film, sondern darf zugleich als kritische Auseinandersetzung mit dem Ist-Zustand interpretiert werden. Die Einführung des Frauenwahlrechts war zunächst ein juristischer Schritt, der sich dennoch erst durchsetzen musste, da viele Männer ihren Ehefrauen oder Töchtern schlicht verboten, ihr neu gewonnenes Wahlrecht auch auszuüben. Die weiblichen Bestrebungen, außerhalb des eigenen familiären Umfeldes einen Beruf zu ergreifen, kann man als ein Symbol für Freiheit, aber auch als Streben nach faktischer finanzieller Unabhängigkeit deuten.
Lorenzo ist eine besonders schön traurige Figur, sehr ausdrucksstark gespielt von Marco Leonardi, der alleine mit seinen Augen schon viel transportiert. Kaum überhaupt jemand sieht ihn als vollwertigen Menschen an, behandelt ihn würdevoll, selbst Marta ließ sich als jüngeres Mädchen von der schwulenfeindlichen Propaganda des Duce verführen. Wieder einmal zeigt sich, dass die vorschnelle Ablehnung von Angehörigen bestimmter Gruppen oftmals nicht lange Bestand hat, wenn man diese erst einmal persönlich kennenlernt. Doch fast ausnahmslos zeigt Lorenzo im Gegenzug Güte, ist nicht nachtragend sondern verzeihend, und damit ein leuchtendes Vorbild dafür, wie wir alle im Umgang miteinander häufiger sein sollten.
Hier und da fehlt „Mein Platz ist hier“ womöglich etwas der Pep, und es es wird auch schon sehr früh absehbar, worauf alles hinauslaufen wird. Dessen ungeachtet spielt auch Ludovica Martino mit viel Herz und verdient sich für ihre Marta ganz viel Empathie, Hoffen und Bangen. Das Ende kommt einen Tick früher als gedacht, lässt einzelne Fragen unbeantwortet, lenkt damit aber umso mehr den Blick auf das Wesentliche. Es ist ein Weckruf für Menschen, die sich unglücklich, ignoriert oder unterdrückt fühlen, Ungerechtigkeiten nicht hinnehmen zu müssen, sondern für ihre Freiheit und ihre Träume zu kämpfen und sich von der Notwendigkeit der Akzeptanz durch Andere zu lösen.
]]>Der wegen seiner skrupellosen und amoralischen Methoden verhasste Geschäftsmann Zsa-Zsa Korda kommt langsam aber sicher zu der Überzeugung, dass er nicht mehr viele weitere Mordanschläge seiner Konkurrenten überleben wird. Daher holt er seine Tochter Liesl aus dem Kloster, um sie zu seiner Alleinerbin zu machen und sie in seine Geschäfte einzuführen.
Aktuell arbeitet er an einem riesigen Langzeitprojekt, das immense Profite verspricht, allerdings auch noch eine gewaltige Finanzierungslücke aufweist. Diese gilt es nun mithilfe seiner Partner zu schließen, wovon einer nach dem anderen vor Ort persönlich überzeugt werden muss. Doch zu diesen Partnern gehört auch Zsa-Zsas verfeindeter Halbbruder Nubar, der möglicherweise Liesls Mutter ermordet hat...
Mit seinem neuesten Film, „Der phönizische Meisterstreich“, macht Regisseur, Autor und Produzent Wes Anderson eher einen Schritt zur Seite als nach vorne. Einige seiner so charakteristischen und unverwechselbaren Stilmittel hatte er zuletzt stetig bis ins Extreme gesteigert, und nimmt diesbezüglich nun wieder ein wenig den Fuß vom Gas. Dennoch sind all seine Markenzeichen grundsätzlich weiterhin vorhanden und zeichnen auch diese Produktion zweifelsfrei aus.
Wie gehabt ist bezüglich der Kameraarbeit Symmetrie der allergrößte Trumpf. Auch scheinen sich die Mitglieder des wie immer mit Stars gespickten Ensembles gelegentlich direkt ans Publikum statt an ihre Spielpartner zu wenden. Eine gewollte Distanziertheit und Künstlichkeit sind nach wie vor an jeder Ecke spürbar. Und die Sets sind so detailverliebt und exakt gestaltet, dass sie aussehen wie zu groß geratene Puppenhä oder Dioramen.
Inhaltlich ist festzustellen, dass die dargebotene Handlung einmal mehr eher wie ein Mittel zum Zweck wirkt. Die Geschichte erhält Struktur durch das Abklappern der erwähnten Geschäftspartner, was sich prima für eine Einteilung in Kapitel samt Einblendung entsprechender Überschriften eignet. Charaktere und Schauplätze wurden dabei wieder einmal sehr kreativ und einfallsreich erdacht und gestaltet. Mia Threapleton, an der Seite vieler altbekannter Gesichter neu im Anderson-Kosmos, führt sich selbst grandios ein und macht Benicio del Toro die Position als Hauptfigur streitig. Durch ihr faszinierend unterkühltes Spiel, was Anderson zufriedengestellt haben wird, und durch ihren persönlichen, integrierten Sideplot der Untersuchung ihrer Herkunft und Rache am Tod ihrer Mutter, zieht sie in der Tat einen beachtlichen Teil der Aufmerksamkeit auf sich.
Nach wie vor scheint man sich ohnehin selbst im Hollywood-Olymp darum zu reißen, auch nur eine kleine Rolle bei Anderson zu ergattern. Tom Hanks, Mathieu Amalric, Benedict Cumberbatch, Bryan Cranston, Willem Dafoe, Bill Murray oder die immer charismatische Scarlett Johansson bekommen jeweils nur ca. 5-10 Minuten Leinwandzeit eingeräumt und haben auch gar nicht mal so viel Text. Anderen Filmemachern würde man es eventuell als frevelhaft ankreiden, solch große Namen zu versammeln, um dann deren Potential kaum auszuschöpfen.
Auffällig ist noch der allgegenwärtige Humor, der sich anders als zuvor nicht nur überwiegend aus absurden Situationen und Dialogen speist, sondern auf hohem Niveau auch herrlich albern ist, einige Running Gags gekonnt bis zum Ende aufrecht erhält, und im ganzen Kinosaal kontinuierlich für gelöstes, heiteres Keckern sorgt.
„Der phönizische Meisterstreich“, eine Mischung aus Heist-Movie, Familiendrama, Millionärs-Satire und Spionage-Komödie, macht auf vielen Ebenen richtig großen Spaß, was auch auf Cast und Crew zuzutreffen scheint. Wer Wes Andersons Stil nicht mag, kann auch um diesen Film getrost einen großen Bogen machen, wobei „Asteroid City“ auf Anhieb deutlich weniger zugänglich war. Ich konnte mich aber erwartungsgemäß über 105 Minuten an den typisch ästhetischen Bildern kaum sattsehen und habe mich beinahe ohne Ausnahme durchgängig ganz wunderbar amüsiert.
]]>Die beiden uralten Freunde Fred und Mick machen wie schon oft zuvor gemeinsam Urlaub in einem Schweizer Kurhotel. Während Fred vor einer Weile seine Karriere als Star-Dirigent beendet hat, will Mick mit einem letzten Film der Nachwelt sein Vermächtnis als Regisseur hinterlassen, und brainstormt mit vier jungen Nachwuchsautoren vor sich hin.
Lena, Freds Tochter und Assistentin, wurde soeben von ihrem Mann verlassen – Micks Sohn. Doch ist dies nicht ihr einziges Problem. Nicht nur, dass ihr Vater französischen Interessenten an seinen Memoiren und sogar einer offiziellen Anfrage der Queen für ein Konzert eine Absage erteilt, macht ihr Sorgen. Sie spürt auch, dass ihr Frust über Freds lebenslange emotionale Vernachlässigung seiner Familie sich langsam Bahn bricht...
Eines steht fest: wenn uns jemand demonstriert, wie man in Würde altert, dann ist dies Michael Caine. Und zwar in doppelter Hinsicht, sowohl er selbst, als auch sein Charakter Fred Ballinger in Paolo Sorrentinos Film „Ewige Jugend“, oder im Original schlicht „Youth“. Sorrentino, der auch das Drehbuch schrieb, holte sich vielleicht Inspiration bei Thomas Mann und seinem „Zauberberg“ oder Hermann Hesse und dessen „Kurgast“. Denn auch diese beiden Autoren empfanden offenbar bereits den Aufenthalt in einem Sanatorium als ebenso faszinierend wie kurios, als Treffpunkt für die unterschiedlichsten Menschen aller Altersklassen und sozialen Schichten, und als schier unerschöpflichen Quell absurd-komischer Situationen. Diese entstehen, wenn es höchstpersönlich wird, wenn man sich im übertragenen oder auch buchstäblichen Sinne nackt macht vor anderen.
Hier und da liest man, die Story sei für 118 Minuten Laufzeit reichlich dünn. Dem kann man zustimmen, sofern man es nicht vermag, unter die Oberfläche des Films zu blicken. Denn dort verbirgt sich eine Tiefe, ja geradezu ein Abgrund, dass einem schwindelig werden kann, wenn man hineinblickt. Jene erwähnte Tiefe ist sogar nicht einmal besonders gut verborgen, doch muss man für sie empfänglich sein, muss sie sehen wollen, seine wertvolle Zeit hierfür zur Verfügung stellen.
Auch vor typischen Arthaus-Elementen darf man nicht bange sein, wenn man den gemeinsamen Kuraufenthalt mit Michael Caine, Harvey Keitel, Rachel Weisz & Co genießen möchte. Hierzu zählen wunderschön visualisierte Erinnerungen, Emotionen und Träume der verschiedenen Akteurinnen und Akteure bis hinein in kleine Nebenrollen. Nicht immer wird auf den ersten (oder zweiten) Blick klar, welchen dramaturgischen oder erzählerischen Zweck manche der Easter-Egg-artigen Details erfüllen sollen. Doch selbst wenn diese nur Kunst um der Kunst willen sein sollten, nimmt hieran definitiv niemand Schaden. Wer sich deswegen eine stringentere, straffere Struktur im Plot wünschen sollte, hat gewiss nicht ganz Unrecht, ist dann aber buchstäblich im falschen Film.
Das Altern, Gesundheit und Krankheit und auch Verlust (des Lebenssinns, eines Menschen, der eigenen Würde) stehen hier im Mittelpunkt. Es ist ein ebenso weit verbreitetes wie zutreffendes Klischee, dass wir uns das am meisten wünschen und vermissen, was wir nicht (mehr) haben. So trauert eben eine verlassene Frau ihrer gescheiterten Ehe hinterher, ein junger Schauspieler wünscht sich Anerkennung für die Rollen, die ihm wirklich etwas bedeuten, eine Schönheitskönigin möchte auch für ihre inneren Werte und Talente gesehen werden, und zwei alte Herren denken wehmütig an ihre Jugend zurück und fragen sich, was die beste Art ist, mit ihrem nicht zu leugnenden Alter umzugehen.
„Ewige Jugend“ berührt mit einer durchgängig ruhigen Mischung aus Wehmut, Nachdenklichkeit, philosophischen Denkanstößen, mit kritischer Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit, und ist dann auch immer wieder einfach herrlich schräg. Wer sich auf diese Ruhe einlassen und ganz in das Setting und die toll gespielten Charaktere fallen lassen kann, wird sich dort neu verlieben: in die Mitglieder des erstklassigen Schauspielensembles und in die Aussicht auf ein würdevolles, selbstbestimmtes Älterwerden, sowie den zufriedenen Rückblick auf ein glückliches Leben. Es möge uns allen vergönnt sein, denn wo gehen wir hin? Immer nach Hause, immer nach Hause.
]]>Seit einer Weile lebt die Bevölkerung der ganzen Stadt im Ausnahmezustand. Insbesondere Eltern werden durch die Aktivitäten eine Serientäters in Angst und Schrecken versetzt, der schon mehrere Kinder entführt und wahrscheinlich auch getötet hat. Trotz aller vorstellbarer Bemühungen scheint die Polizei machtlos mit ihren Versuchen, den Täter zu finden.
Als auch eine hohe Belohnung für die Ergreifung des Mörders nicht zu helfen scheint, werden sogar die Bettler der Stadt eingeschaltet, um die Augen aufzuhalten und den Täter zu schnappen. Doch mittlerweile mischt auch die Unterwelt mit und versucht, den Mörder auf eigene Faust zu finden. Denn die seit längerem anhaltenden, gesteigerten Aktivitäten der Polizei stören sie in ihren schmutzigen Geschäften, und das gefällt ihnen gar nicht...
Von Fritz Langs "M" wurden nach dessen Fertigstellung im Jahr 1931 noch mehrere weitere Schnittfassungen ohne Beteiligung oder Mitspracherecht des Regisseurs gefertigt. 2011 konnte mithilfe alter und restaurierter Kopien eine Version wiederhergestellt werden, die der Ursprungsfassung so nah wie möglich kommt.
In den 111 (von insgesamt wahrscheinlich 117) Minuten kommt Lang beinahe ohne jegliche Verwendung von Musik aus. Auch gibt es keinen rechten Hauptdarsteller in der Geschichte um die Jagd nach einem Kindermörder. Weder wird der Täter, dessen Identität zumindest vor dem Publikum schon früh enthüllt ist, einer besonders tiefen Analyse seiner Psyche unterzogen, noch wird ein Angehöriger der Polizei oder ein Schurke der Unterwelt zum eindeutigen Helden der Geschichte stilisiert. Hauptfigur der Geschichte ist in dieser Hinsicht und in gewisser Weise die Stadt selbst und die Gemeinschaft ihrer Bevölkerung, wie sie auf die gegenwärtige Bedrohung reagiert, und welche Maßnahmen sie für geeignet und legitim hält, um wieder in Sicherheit leben zu können.
Durch das Ausloben einer hohen Belohnung trägt die Polizei nicht gerade zur Beruhigung der Atmosphäre bei, auch wenn sie nicht ausdrücklich zur Selbstjustiz aufruft oder ermutigt. Der Effekt stellt sich dennoch ein, und so kann man sich als erwachsener Mann schon dadurch verdächtig machen, von einem Kind auf der Straße nach der Uhrzeit gefragt zu werden, oder durch ein kleines akustisches Missverständnis Prügel von einem gewaltbereiten Mob beziehen.
Gewalt gegen Kinder gehört in fast allen Gesellschaften unserer Welt zu den am schlimmsten geächteten Verbrechen überhaupt. So kommt es zum Beispiel auch, dass Rechtsradikale schon immer gerne emotionale Aussagen wie "Todesstrafe für Kinderschänder" nutzen, um sich über menschliche Affekte einer gewissen Zustimmung in der Bevölkerung zu versichern.
Apropos Rechtsradikale: mit dieser Geschichte, die während des frühen Aufstiegs der Nazis im Deutschen Reich veröffentlicht wurde, wollte Lang wohl auch eindringlich davor warnen, staatliche Gewalt in die Hände nicht demokratisch legitimierter Gruppen zu legen, die dann nach ganz eigenen, willkürlichen Maßstäben Recht sprechen und ausüben. Bei allem Verständnis für Betroffenheit und Trauer der Eltern, ist die "Auge um Auge"-Philosophie nicht das geeignete Mittel, mit dem wir wieder Frieden auf der Welt finden werden. Auch die ausdrückliche Message des jüdischen Filmemachers, er wolle Mütter dazu aufrufen, auf ihre Kinder aufzuen, kann im damaligen historischen Kontext durchaus mehrdeutig verstanden werden.
Für die Verhältnisse der 1930er Jahre war Peter Lorre als Kindermörder gewiss noch ein hoch funktioneller Buhmann, der sein Kinopublikum das Fürchten lehren konnte. Nach heutigen Gewohnheiten ist die Story immer noch ganz spannend, hat im Mittelteil allerdings ihre Längen. In Sachen Szeneneinstiege, beste Perspektiven für eine Einstellung und vieles mehr hat Lang hiermit schon früh Maßstäbe gesetzt und Nachfolgern Wege geebnet. Die Kernaussage am Schluss mitsamt ihrer implizierten moralischen Herausforderungen hat zudem nichts von ihrer Prägnanz verloren. Darum ist "M" eine Geschichte, die im Kopf bleibt und einen noch eine ganze Weile beschäftigt.
]]>Moskau in den 1930er Jahren: Gerade als sein neues Stück „Pilatus“ am Theater uraufgeführt werden soll, wird ein aufstrebender Schriftsteller zu einer Verhandlung gebeten, auf der das Stück nachträglich noch verboten wird. In der Stadt trifft er zufällig die schöne, charismatische Margarita, die ihn nach einem sehr vertrauten spontanen Gespräch dazu motiviert, weiter an seiner neuesten Idee für einen Roman zu arbeiten.
Obwohl Margarita verheiratet ist, sehen die beiden sich immer wieder, und jedes neue Kapitel des Autoren stößt auf ihre große Zustimmung, so dass er damit beginnt, sie zur Hauptfigur seiner Geschichte zu machen. Und dann ist da auch noch Woland, ein Besucher aus Deutschland, den er ebenso als markanten Charakter und Meister der schwarzen Magie in die Handlung einbaut. Doch die Grenzen zwischen Realität und Fiktion werden bald schon immer schwerer zu erkennen...
„Der Meister und Margarita“ von Michail Bulgakow ist einer der einflussreichsten, wichtigsten und beliebtesten russischen Romane des 20. Jahrhunderts. 2024 erschien erstmals die Verfilmung des Stoffes von Regisseur Michael Lockshin, der gemeinsam mit Roman Kantor auch das Drehbuch schrieb, und mit überwiegend russisch besetztem Cast, ergänzt durch August Diehl und Claes Bang. Auf beeindruckende Weise erreichte man es in immerhin 157 Minuten, bildgewaltig und faszinierend möglichst viele Themen und Handlungsebenen der Buchvorlage angemessen umzusetzen.
Buch und Film sind einerseits ein anklagend genaues, dann auch wiederum satirisch-komödiantisch überspitztes Abbild der Sowjetunion in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die totale Überwachung und Regulierung von Taten, Worten und eigentlich sogar Gedanken vermittelt einen sehr beklemmenden Eindruck und muss sich insbesondere für Künstler geradezu lähmend angefühlt haben, für deren Schaffen die Verarbeitung ihrer Meinungen und Impressionen existenziell sind, und die darum nicht „nur“ so wie andere Privatpersonen unter Zensur und Kontrolle leiden. Insoweit geht es hier auch um Kunst und Kunstfreiheit, vor allem das Schreiben, das Erzählen von Geschichten und das Verschwimmen von Wahrheit und Fantasie.
Auch Religion, Schuld, Buße und Erlösung sind zentrale, wiederkehrende Themen. Bulgakow, das wird schnell deutlich, ließ sich bezüglich dieser Aspekte intensiv von Goethes „Faust“, inspirieren, einem der größten klassischen deutschen Dramen. Die Umsetzung dessen besteht aus lauter Szenen, die allesamt echte Hingucker sind, auch wenn bei den Spezialeffekten entweder an Geld oder an Können gespart wurde. Man neigt zur Nachsicht, weil die Atmosphäre so dicht ist und die gezeigten Ereignisse so verrückt bis mysteriös scheinen, dass man schlicht nach Antworten giert.
Denn vor allem bei gänzlich fehlenden Vorkenntnissen gibt die Handlung vom ersten Moment an Rätsel auf. Was wir sehen, macht extrem neugierig, wir verstehen aber zunächst nur Bahnhof. Mit der Zeit wird tatsächlich alles erklärt, was dann beinahe schon schade um die reizvollen Mysterien ist. Zumindest durften wir aber bis dahin lange genug auf eigene Faust spekulieren, auch wenn es ohne Hilfe eben beinahe unmöglich ist, Durchblick zu erlangen.
So nimmt uns „Der Meister und Margarita“ mit auf eine fesselnde Reise rund um Liebe, Freiheit, Kunst, Religion, gesellschaftliche und politische Satire. Das alles kann sich kurzfristig anstrengend anfühlen, aber Konzentration und geistige Mitarbeit zahlen sich uneingeschränkt aus. Der „russische Faust“ erzeugt Staunen, Mitfiebern, Rätseln, spielt bis zum Schwindel mit den erzählerischen Ebenen, die so kunstvoll ineinander übergehen, und transportiert den Eindruck, so gut wie alles sei möglich. Zumindest in der Fantasie, und wo diese endet, ist mitunter eben gar nicht mal so leicht zu erkennen. Eine extrem wohltuende Abwechslung vom mehrheitlichen Hollywood-Einheitsbrei!
]]>George Woodhouse ist ein hochrangiger britischer Geheimagent – genau wie seine Frau Kathryn. Privat pflegen sie ein inniges und vertrautes Verhältnis, doch kommt einmal eine auf ihre Arbeit bezogene Frage auf, so heißt die Antwort regelmäßig nur „Black bag!“, denn darüber dürfen sie nicht miteinander reden.
Als George den Auftrag erhält, schnellstmöglich eine undichte Stelle in seiner Behörde aufzudecken, kann er den Kreis der Verdächtigen auf fünf Personen aus seinem Kollegenkreis einengen. Leider gehört auch Kathryn dazu, und so geraten seine Loyalitäten zur Nation und zu seiner Ehefrau in einen nur schwerlich lösbaren Konflikt...
Regisseur Steven Soderbergh dreht schon seit über einem Vierteljahrhundert äußerst erfolgreich Spielfilme – und ist unter Synonym oft auch noch sein eigener Kameramann und Cutter. Mit „Black Bag – Doppeltes Spiel“ nimmt er uns ein weiteres Mal mit in die Welt der Spionage, in der gelegentlich die ärgsten Feinde aus dem Inneren zu kommen scheinen.
Michael Fassbender, auf dessen Hinterkopf wir zunächst gefühlt minutenlang starren, während er auf dem Weg ist, eine Kontaktperson zu treffen, spielt George Woodhouse auf eine Art, die anfangs den Eindruck eines langweiligen Bürokraten erweckt. Erst im weiteren Verlauf der Geschichte zeigt er auch noch andere Seiten, wie seine beeindruckende Umsicht und die Bereitschaft, zur Not auch mal Regeln zu umgehen. Immerhin ist er gezwungen, gegen seine eigene Frau zu ermitteln, und ist sich lange felsenfest sicher, immer zu ihr zu stehen, unabhängig vom Ergebnis seiner Untersuchungen.
Cate Blanchett gelingt es gleichzeitig recht gut, ihre Rolle als die einer aufregenden, mysteriösen und irgendwie auch gefährlichen Frau zu interpretieren, wodurch eine Menge Faszination von ihr ausgeht. Die vier weiteren Kollegen, drei Agenten und eine behördeninterne Psycho, geben sich beruflich professionell, schleppen jedoch zugleich privat einiges an ungeklärtem Ballast miteinander herum, was die Angelegenheit weiter verkompliziert.
Die Aufmachung des Films ist toll, alles ist mit ungemein viel britischem Style designt, und der stets leicht unterkühlte Umgang der Akteure t dazu. Die Einblendung der Wochentage zur zeitlichen Orientierung erfolgt hingegen in mutigen, heterogenen Schriftarten und Farben, was optisch auf andere Art ebenfalls recht ansprechend ist. Die Handlung und Art der Erzählweise machen es jedoch dem Publikum beinahe die ganze erste Stunde lang schwer, sich einzufinden und der Story in jedem Detail zu folgen. Häufiger fragt man sich, ob man nun gerade einen Spionage- oder Beziehungsthriller anschaut, und die Antwort lautet wohl: es ist beides, und es ist nichts davon.
Wie auch in vielen Krimis werden ende Hinweise für uns platziert, die dafür sorgen, dass jeder mal damit dran ist, der wahrscheinlichste Verdächtige zu sein, bis die nächste Wendung uns wieder zu einer neuen Schlussfolgerung bringt. Ein durchgängiges, nachhaltiges Thema hingegen ist das des Vertrauens und der Treue. Der unter Eheleuten, Kollegen und Freunden, und die Frage, was notwendigerweise ieren muss, bevor man dieses bricht. Das ist dann unterm Strich doch ganz schön spannend, und alle Beteiligten reüssieren dabei, ihre bisweilen skurrilen Charaktere in ein lebensechtes und damit irgendwie auch liebenswürdiges Licht zu rücken.
Auch wenn man in der wendungsreichen und komplizierten Handlung von „Black Bag – Doppeltes Spiel“ leicht mal verloren gehen kann (denn „Doppeltes Spiel“ ist eigentlich noch eine Untertreibung), lohnt sich der Film dennoch vor allem in der zweiten Hälfte sehr, belohnt mit einer guten Dynamik, schönen Schauplätzen und einem aggressiven bis jähzornigen Pierce Brosnan als Chef vom Ganzen. Eine Story über Wahrheit und Lüge, Vertrauen und Hintergehen und das ganze große Spannungsfeld dazwischen, die etwas leichter zugänglich hätte sein können, sich unterm Strich aber dennoch lohnt.
]]>Für Ethan Hunt und sein Team vom IMF geht es in seinem letzten großen Abenteuer um nicht weniger als das Überleben der gesamten Menschheit. Die Entität, eine künstliche Intelligenz aus dem vorherigen Teil, übernimmt nach und nach die Kontrolle über sämtliche weltweiten Atomwaffen, um alle Menschen auf einen Schlag auszulöschen.
Gegenseitiges Misstrauen der Nationen führt dazu, dass das Team auf die Unterstützung keiner einzigen Großmacht setzen darf. So führt der Weg, die Entität zu besiegen und auszuschalten, anscheinend nur über Gabriel, deren ehemaligen Verbündeten...
Für das letzte Mal, dass Produzent und Hauptdarsteller Tom Cruise in die Rolle des Geheimagenten Ethan Hunt schlüpft, lässt er es in „Mission Impossible: The Final Reckoning“ noch einmal richtig krachen. Mehr Action scheint selbst in einen fast dreistündigen Film nicht mehr hineinzuen, zumal sich die Handlung auch noch immer wieder zwischen mehreren Orten aufteilt, und hektische Gegenschnitte der parallelen Szenen den Stressfaktor zusätzlich signifikant erhöhen.
Was die für die Reihe üblichen spektakulären Stunts betrifft, die Cruise auch im inzwischen fortgeschrittenen Alter überwiegend selbst performt, so wirken diese über weite Strecken optisch gar nicht einmal so atemberaubend, wie man es aus früheren Teilen gewohnt war - "es ist ja auch alles nicht echt". Äußerst gefährlich waren sie aber sicher dennoch, und dann kommt immer noch das große Finale, in dem man teilweise seinen Augen nicht trauen möchte, was dort auf der Leinwand zu sehen ist. Hunt riskiert mehr denn je zuvor sein Leben, geht Risiken in dem Bewusstsein ein, dass er so gut wie sicher dabei sterben wird.
Lange zwei Jahre sind seit Release des direkten Vorgängers "Dead Reckoning" vergangen. Glücklicherweise hat die Produktion dies berücksichtigt, allerdings nicht in Form einer gebündelten Zusammenfassung gleich zu Beginn. Noch publikumsfreundlicher wird während der neuen Geschichte immer im enden Moment ein kleiner Flashback zu den dazu gehörenden vorherigen Geschehnissen geboten. Davon abgesehen gibt im richtigen Augenblick auch mehrfach Szenen aus den bisherigen Teilen zu genießen, so dass man richtiggehend nostalgisch werden könnte, wenn inhaltlich sinnvoll eingebunden(!) die Schwebeszene aus dem Tresorraum der CIA in Teil 1 zu sehen ist. In einer Art „In Memoriam“ zeigt man uns kurz noch einmal alle zuvor verstorbenen Teammitglieder. Und klar bekommt Cruise mehrfach die Gelegenheit, auf seine unverwechselbare Art die Leinwand entlang zu rennen.
Noch vor Beginn des Filmes wendet er sich sogar ganz persönlich an sein Publikum, zeigt große Freude über dessen Kinobesuch und bedankt sich für die jahrelange Treue. Vom Intro bis zum Vorspann mit der geradezu legendären Titelmelodie vergehen wie schon in früheren Teilen wieder beinahe 30 Minuten. Verbunden werden die Action-Sequenzen mit reichlich pathetischen Mono- und Dialogen, die insgesamt etwas zu dick auftragen und dem Thema offenbar eine künstliche Schwere verleihen sollen. Allein die wiederholte Betonung, alle vorherigen Ereignisse seien hierauf hinausgelaufen, fühlt sich auf Dauer bemüht, unnötig, nervig und etwas weit hergeholt an.
Tiefsinnige Gedankengänge sind bei „Mission Impossible: The Final Reckoning“ wie auch schon in den Vorgängern eher nicht zu erwarten, wenn man von der momentan allgegenwärtigen Kritik an und Warnung vor künstliche Intelligenz absieht. Es ist reines Spannungs- und Unterhaltungskino, dies aber vom Feinsten und der würdige Abschluss einer Reihe, die auf eine Fernsehserie aus den 1960er Jahren zurückgeht, und deren lange Geschichte nun ein angemessenes Ende fand. Ob der Staffelstab des Teamchefs wie unterschwellig angedeutet für zukünftige Filme weitergereicht wird, werden wir mit Sicherheit bald herausfinden. Nun ist aber erst einmal Zeit, Tom Cruise für seine rein körperlich spektakulären und atemberaubenden Leistungen den angemessene Tribut zu zollen und zum Abschied den Hut vor ihm, Ethan Hunt und seinem sympathischen Team zu ziehen.
]]>Eine junge Frau kehrt vom Familienbesuch in Oklahoma zurück nach New York City und nimmt am Flughafen ein Taxi nach Hause. Zwischen dem Fahrer, einem etwas älteren Mann aus Hell's Kitchen, und seiner Fahrgästin „Girlie“ entwickelt sich im Laufe der langen Fahrt ein Gespräch, in dem es zunächst noch um oberflächliche Dinge wie die Nutzung von Apps und Onlinediensten geht.
Doch verkehrsbedingt dauert die Fahrt noch länger als gedacht, und beide haben offenbar Redebedarf bezüglich einiger so intimer Dinge, dass man sie eigentlich nur einer völlig fremden Person anvertrauen kann oder will. So entsteht ein Spiel, bei dem sie sich im Entlocken und Erzählen intimer Details überbieten und im Laufe dessen die beiden nächtlichen Gefährten sich Sätze sagen hören, von denen sie beinahe selbst überrascht sind...
Der erste Spielfilm von Regisseurin Christy Hall, „Daddio – Eine Nacht in New York“ könnte die Adaption eines Theaterstücks für zwei Personen sein. Ist es aber nicht – Hall schrieb auch das Drehbuch und dachte sich die Geschichte selbst aus. Und unterm Strich kann sie sich glücklich schätzen, dass zwei so gut aufgelegte Stars wie Dakota Johnson und Sean Penn für die Hauptrollen gecastet wurden.
Zwar ist der rund neunzigminütige Dialog durchaus ansprechend erdacht, und beinhaltet ein stellenweise faszinierendes verbales Ping-Pong-Spiel inklusive einiger Denkanstöße und Enthüllungen aus dem Leben beider Menschen, die dadurch mit jeder Minute als Charaktere noch greifbarer werden. Doch der Schauplatz ist mit dem Innenraum eines Taxis, das zudem auch noch in dunkler Nacht unterwegs ist, extrem limitiert, und so kann jedes bisschen Charisma und Ausdrucksstärke der Protagonisten definitiv nicht schaden. Beides ist zum Glück vorhanden.
Während Johnson es geschickt versteht, hinter einer möglichst neutralen Fassade Neugier auf das spürbar dahinter versteckte Drama zu wecken, gibt Penn seiner Figur den Vibe eines buchstäblichen einfachen Mannes von der Straße, der fürsorgliche Gefühle für seinen letzten Fahrgast der Schicht empfindet. Allerdings sucht er offenkundig immer wieder aufs Neue aktiv das Gespräch, auch wenn dieses gerade erst verebbt ist, und wie er sein Taxi durch die Nacht steuert, lenkt er auch die Unterhaltung mit Vorliebe auf sehr persönliche und bisweilen schlüpfrige Themen. So fragt man sich immer wieder, ob und wann nicht die Gesprächsatmosphäre auch ganz unvermittelt in eine unangenehme oder gar bedrohliche Situation kippen könnte.
Ein dritter, indirekter Gesprächspartner im Taxi ist der dem Film seinen Namen verleihende Mann, mit dem „Girlie“ über ihr Handy Chat-Nachrichten austauscht, wobei sie noch mehr als im Dialog mit Taxifahrer Clark in einer antwortenden Position verbleibt, und „Daddio“ den Austausch noch nachdrücklicher bei jeder Gelegenheit in Richtung Sex und Erotik lenkt. Gerade in dieser Häufung kommt ziemliches Unbehagen beim Beobachten ihrer weiblichen Situation, umringt von zwei wenn auch nur verbal recht forschen Männern, auf – umso mehr, wenn man erkennt, dass „Girlie“ diese Umstände gewohnt zu sein scheint, und sich davon unbeirrt die meiste Zeit recht souverän gibt. Dass es sie dennoch bedrückt, lässt sich zumindest gelegentlich erkennen.
„Daddio – Eine Nacht in New York“ spielt wie schon einige Filme zuvor mit der Faszination einmaliger, zufälliger Begegnungen zwischen zwei Menschen, deren Leben sich nur einen Wimpernschlag lang berühren, und die deswegen ihrem Bedürfnis nachgeben, sich einander ganz und gar zu öffnen und Dinge auszusprechen, die sie niemandem anzuvertrauen können glaubten. Mit einem gewichtigen Part widmet man sich zudem Frauen mit Vaterkomplex, die seit ihrer Kindheit väterliche Geborgenheit vermissen, was sich im Erwachsenenalter mit sexuellen Bedürfnissen durchmischt und sie sehr verletzlich und angreifbar macht. Gutes Thema, von einem klasse Mini-Cast dargeboten, hat aber dennoch auch über nur knapp 100 Minuten einzelne Tiefpunkte in seiner ansonsten überwiegend ergreifenden Atmosphäre.
]]>Wegen ihrer Zerebralparese hat die zwölfjährige Melody nur sehr geringe Kontrolle über ihren Bewegungsapparat, ist auf einen elektrischen Rollstuhl angewiesen und kann sich nicht verbal artikulieren. Seit sieben Jahren geht sie mit Kindern verschiedener Altersgruppen in die gleiche Sonderschulklasse, wo sie sich wohlfühlt, aber aufgrund ihrer Intelligenz unterfordert ist.
So empfindet zumindest Melodys Vater Chuck, der sie sehr liebt und daher bestmöglich gefördert wissen will. Er unterstützt den Vorschlag, Melody im Rahmen eines Inklusionsprojekts einen Tag pro Woche in die reguläre sechste Klasse gehen zu lassen. Als sie dort von ihren Mitschülern überwiegend ausgegrenzt wird, setzen ihre Eltern sich dafür ein, dass die Krankenkasse ihr einen Medi-Talker finanziert. Doch sind damit noch längst nicht alle Hürden zwischen Melody und den anderen Kindern überwunden...
Wow. Großen Respekt an Phoebe-Rae Taylor, und zwar nicht nur für ein ganz tolles Leinwand-Debüt, sondern auch für ihren Verdienst um den Inklusionsgedanken, den sie mit der Hauptrolle der Melody in „Out of my mind“ erzielen konnte. Auch im wahren Leben muss Rae mit den Einschränkungen einer Zerebralparese klarkommen, und zeigt der ganzen Welt höchst eindrucksvoll, was sie dem zum Trotz zu leisten imstande ist, und wie viele Menschen sie erreichen, berühren und zum Nachdenken bringen kann.
Regisseurin Amber Sealey verfilmt für Disney einen Roman von Sharon M. Draper und lässt eine ganze Weile Melody für Respekt und so viel Gleichbehandlung wie möglich kämpfen. Vordergründig möchte sie altersgerecht lernen dürfen, um ihr Potential auszuschöpfen. Doch steckt noch weitaus mehr dahinter. Denn wer Melody nur oberflächlich von außen betrachtet, und nicht so wie wir vor dem Fernseher ihre innere Stimme hören kann, läuft Gefahr, sie gravierend falsch einzuschätzen. Häufig entsteht die unzutreffende Schlussfolgerung, wer sich nicht artikulieren kann, könne auch nicht richtig denken. Mit ihrem sehr berührenden Spiel zeigt uns Taylor, wie verletzend es sein muss, dass Melody nichts tun kann, um diese Fehleinschätzung ihrer Person zu korrigieren. Stattdessen muss sie es lange Zeit über einfach hinnehmen, dass man sie wie ein Möbelstück behandelt oder in ihrer Anwesenheit mit Dritten über sie spricht.
Angehörige verschiedenster Minderheiten und diskriminierter Gruppen, sei es aufgrund einer Behinderung, der Herkunft oder Sexualität, geben sich bisweilen gerne der Illusion hin, sich die Akzeptanz unter ihren Mitmenschen mit Leistung erkämpfen zu können. Anhand von Melody sehen wir die bittere Wahrheit: in den Augen der anderen wird sie zunächst mal nicht gleichwertig, sondern allenfalls nützlich – so lange, bis sie eben nicht mehr nützlich ist, und dann wieder nur „die Behinderte“. Wir erfahren, dass Melody noch einen anderen Weg gehen muss, um ans Ziel zu kommen, und drücken ihr dabei von ganzem Herzen beide Daumen.
„Out of my mind: Mit Worten kann ich fliegen“ ist der perfekte Titel für eine fiktionale Geschichte, deren einzelne Bestandteile sich so oder so ähnlich täglich um uns alle herum ereignen. Melody hat viele Unterstützer, ohne die es nicht ginge, ihre liebevollen Eltern, die alles in ihrer Kraft stehende tun, aber natürlich auch nicht frei von Fehlern sind, eine etwas aufdringliche aber herzensgute alte Nachbarin, und eine Doktorandin, die an sie glaubt. Rae Taylor alias Melody lehrt uns und ermahnt uns zu ausreichend Empathie für Menschen mit Behinderung. Denn auch wenn der Umgang mit ihnen anstrengend oder zeitaufwändig sein kann, sind auch sie Menschen, die es verdienen, dass man ihnen Inklusion ermöglicht, anstatt sie zusätzlich zu behindern. Melodys strahlendes Lächeln, ihre Lebensfreude und ihr teils schwarzer Humor lassen uns hoffentlich immer daran denken, dass sie es genau wie alle anderen verdient hat, glücklich zu sein. Und das war einer der selbstverständlichsten Sätze, die ich je geschrieben habe.
]]>Bisher war Remi ihr ganzes Leben lang eine vorbildliche, strebsame Tochter, und mit ihren Eltern einer Meinung, was das Beste für sie sei: ein Studium an der Elite-Uni Harvard und eine Karriere als Top-Juristin.
Alles in ihrem Leben hat sie bisher diesem Ziel untergeordnet. Dann trifft sie zufällig Barnes, einen Jungen aus ihrer Schule – und der ist so ganz anders als sie selbst. Eigentlich t so jemand gerade gar nicht in ihr Leben, und doch lässt sie sich über den Sommer auf ihn ein. Mit dem Resultat, dass sie sich erstmals fragt, für wen sie wirklich all die Entbehrungen auf sich nimmt – für sich selbst, oder für ihre Eltern...
Jenna Ortega und Percy Hynes White standen bereits für die Netflix-Serie „Wednesday“ gemeinsam vor der Kamera. Vielleicht liegt es ja daran, dass die beiden bewundernswert harmonisch und glaubwürdig sowohl die Höhen als auch die Tiefen ihres Verhältnisses miteinander spielen. Tiffany Paulsen, deren erster Langfilm als Regisseurin „Winter Spring Summer or Fall“ ist, dürfte selbst begeistert von der Leistung der beiden Hauptpersonen in ihrem Cast gewesen sein.
Ortega liefert durchgängig großartig ab und zeigt eine weitere Nuance ihres künstlerischen Spektrums. Die strebsame, intelligente junge Frau, die von ihren Helikoptereltern bestens behütet, aber auch liebevoll bevormundet wird, kauft man ihr ohne eine Sekunde des Zweifelns rundherum ab. Wo Remi hochgebildet, aber weltfremd ist, erweist sich Barnes als süßer, cooler Junge, der aber regelmäßig Gras raucht und schrecklich unambitioniert daherkommt.
Es scheint glasklar, dass die beiden aus völlig unterschiedlichen Welten stammen und deswegen auf keinen Fall zusammenen – nicht nur von ihrer Persönlichkeit, sondern auch im Hinblick auf ihre jeweilige Lebensplanung scheint es keine Zukunft für die ungleichen Jugendlichen zu geben. Doch erst bleibt Barnes hartnäckig, und dann siegt wie so oft das Herz über die Vernunft. Zumindest fürs Erste.
Die sich über vier Jahreszeiten erstreckende Geschichte erzählt davon, wie der Prozess des Erwachsenwerdens daraus besteht, sich auszuprobieren, Fehler zu machen, und letztlich Entscheidungen zu treffen, die von Logik und Weitsicht geprägt sind. Sie wirft aber auch die Frage auf, wie eine junge Frau mit all der kindlichen Unbeschwertheit umgeht, die sie über viele Jahre ignorierte oder sogar unterdrückte, wenn diese sich eines Tages Bahn zu brechen „droht“.
Einige genretypische Wendungen und Klischees könnten den Film auf einem Niveau der mittelmäßigen Beliebigkeit enden lassen. Frust auf dem Schulball, ein sommerlicher Ausflug an den See, kritische Eltern: all das kennt man zur Genüge, doch sind es auch schlicht sehr bodenständige, realitätsnahe Stationen einer Teenagerbeziehung. Und die durchgängig starke Fokussierung auf das so unterschiedliche Pärchen macht sich überaus bezahlt. Drehbuchautor Dan Schoffer schafft es, Alltägliches so schmerzhaft schön in Worte zu fassen. Ortega und White hauchen den beiden Figuren, die vor einige schwierige Entscheidungen gestellt werden, ganz viel Leben und Glaubhaftigkeit ein.
Vom reichlich kitschig klingenden Titel sollte man sich insofern besser nicht täuschen lassen oder ein vorschnelles Urteil fällen. Remi und Barnes für rund 90 Minuten über ein Jahr ihres Lebens zu begleiten, ist einfach wunderschön herzzerreißend. Gerade weil man dem ebenso bezaubernden wie unwahrscheinlichen Pärchen so sehr sein Happy End gönnen möchte. Für romantisch veranlagte Filmfans ist deswegen „Winter Spring Summer or Fall“ ein echter Volltreffer.
]]>„Paff!“, „Pock!“, „Zong!“. So klingt es seit Jahrzehnten, wenn zwei berühmte Gallier wahlweise auf Wildschwein- oder Römerjagd gehen. 40 Bände sind seit den 1960er Jahren bereits erschienen, und einige der Geschichten wurden als Zeichentrick-, Animations- und Realfilme adaptiert. Wer, wenn nicht Netflix, sollte nun eine Mini-Serie aus „Der Kampf der Häuptlinge“ machen?
Schon 1989 wurde unter dem Titel „Operation Hinkelstein“ der Asterix-Band „Der Kampf der Häuptlinge“ verfilmt, ergänzt um einige Handlungselemente aus „Der Seher“. Die fünfteilige Neufassung aus dem Jahr 2025 kommt nicht nur in etwas gewöhnungsbedürftiger 3D-Optik daher, sondern geht auch inhaltlich teils ganz neue Wege und traut sich so einiges. Wird doch beispielsweise gleich in der ersten Folge endlich enthüllt, wie und warum Obelix als Kind in einen Topf mit Zaubertrank fiel, und welche Rolle Asterix dabei spielte.
Neu erfundene Charaktere mischen festgefahrene Verhältnisse ein wenig auf, wenn auch weniger im gallischen Dorf, als auf Seiten der Römer. Allein die zeitweilige Anwesenheit der Mutter Caesars untergräbt ganz schön die Autorität des großen Feldherrn und Imperators, und die junge, moderne Metadata hat blitzschnell alle Sympathien des Publikums auf ihrer Seite.
Wie eigentlich immer in Asterix-Projekten nimmt man sowohl humorvoll Bezug auf die Gegenwart, zum Beispiel mit Namen wie „Memorystix“ & Co, als auch eher unterschwellig auf historische Ereignisse der Menschheitsgeschichte. Etwas subtiler, aber doch irgendwie unmissverständlich, erinnert der Häuptling des benachbarten gallischen Dorfes, der sich bereitwillig in den Dienst Caesars stellt, an französische Kollaborateure mit den deutschen Besatzern während des Zweiten Weltkriegs. Die humorvolle Grundstimmung leidet aber auch während solcher eher ernsten Anspielungen wie eindeutiger Kritik am europäischen Kolonialismus nie.
Fünf Folgen zu je rund 30 Minuten klingen für eine einzelne Asterix-Geschichte ziemlich lang, was man aber zu keinem Zeitpunkt zu spüren bekommt. Durch die erwähnten neuen Figuren und gut durchdachte zusätzliche Wendungen im Plot kommt niemals Langeweile auf, und auch visuell tobt man sich richtig kreativ aus, was meistens richtig Freude macht. Übrigens: auch an den zunächst noch merkwürdig erscheinenden 3D-Look hat man sich spätestens im Laufe der zweiten Folge gewöhnt. Und wer damit wirklich nicht warm wird, der sollte nach der letzten Episode unbedingt dranbleiben für eine nette kleine Überraschung.
Unterm Strich steht das gelungene Remake einer beliebten Asterix-Story mit reizvollen neuen Aspekten, die alten Häsinnen und Hasen genau so wie Neueinsteigern gefallen dürfte. Und auch die Erfinder des gallischen Dorfes, Goscinny und Uderzo, wären wahrscheinlich zufrieden, beim Teutates! Fortsetzung erwünscht.
]]>Einst war Fedora ein riesiger Hollywood-Star. Nun liegt sie aufgebahrt in ihrem Pariser Palais, nachdem sie am Bahnhof von einem Zug überrollt wurde, und zahllose Fans defilieren am Leichnam vorbei, um sich zu verabschieden und ihr die letzte Ehre zu erweisen.
Unter den Trauernden ist auch Filmproduzent Barry Detweiler, der erst vor zwei Wochen die mittlerweile zurückgezogen und versteckt lebende Fedora aufgespürt und vergeblich versucht hatte, sie von seinem neuesten Drehbuch zu begeistern. Ungläubig erinnert er sich nun noch einmal an die Ereignisse der letzten vierzehn Tage mit diesen so dramatischen Konsequenzen...
„Fedora“ ist der vorletzte Kinofilm des legendären Regisseurs und Autoren Billy Wilder, dessen Produktionen sich nicht zuletzt aufgrund ihrer zeitlosen, stets aktuellen Themen auch heute noch großer Beliebtheit erfreuen. Dieses Projekt aus dem Jahr 1978 mit William Holden, Marthe Keller und Hildegard Knef in den Hauptrollen macht in Bild und Ton einen überraschend alten Eindruck, wirkt dadurch in gewisser Weise irgendwie gleichermaßen angestaubt wie ewig jung – was sich als sehr gut end erweist!
Kritiker bemängeln, Wilder habe mehr oder weniger ein Remake seines eigenen „Sunset Boulevard“ aus dem Jahr 1950 gedreht, und gewisse thematische Ähnlichkeiten und Wiederholungen sind nicht von der Hand zu weisen. Aus dem gleichen Grund könnte man auch von einem ganz frühen Vorläufer zu „The Substance“ sprechen. Denn in allen drei Fällen geht es um die Schattenseiten des glamourösen Lebens in Hollywood, um Schönheits- und Jugendwahn und um langsam verglühende Sterne, deren Karriere nur aufgrund von Äußerlichkeiten dem Ende entgegengeht. Als weiteres sich wiederholendes Motiv können wir beobachten, wie schwer es den Betroffenen fällt, den Verlust ihres Ruhmes zu akzeptieren.
Neben Hildegard Knef und Marthe Keller waren mit Mario Adorf, Hans Jaray & Co noch mehrere weitere deutschsprachige Akteure involviert – Henry Fonda spielt sich selbst als Präsident der Oscar-Academy. Die Rolle Adorfs, ein griechischer Hotelwirt, ist vor allen Dingen amüsant angelegt, rutscht dabei aber immer wieder ziemlich arg ins Klischee ab. Adorf selbst hingegen war stolz, mit Wilder zusammen gearbeitet haben zu dürfen, wie er in seiner Geschichtensammlung „Der Fenstersturz“ erzählt.
Der restliche Cast spielt gerade im Vergleich dazu durchgängig sehr seriös und ernsthaft. Dem zum Trotz ist die Luft etwas raus, nachdem schon nach gut der Hälfte der Laufzeit der große Story-Twist enthüllt wurde und dann noch beinahe eine Dreiviertelstunde ausführlich erklärt und erläutert wird. Wirklich alle noch offenen Lücken nachträglich und so konkret zu füllen, wirkt sich eher kontraproduktiv aus und erweckt einen langatmigen Eindruck.
Dennoch ist der Charme, der mit dieser altbackenen Erzählform und der Hauptperson als Sprecher aus dem Off einhergeht, nicht zu leugnen, weswegen man sagen könnte, dass Fans von Filmen der 1950er und 60er Jahre mit „Fedora“ gewissermaßen noch einen recht späten Nachzügler erhielten – ganz gewiss nicht zu Wilders besten Filmen gehörend, aber eben immer noch eindeutig ein Billy Wilder.
]]>Seit einer Weile übernimmt Jules ehrenamtlich Schichten am Begleittelefon, und unterstützt damit aus der Ferne Frauen, die im Dunkeln alleine unterwegs sind und sich unwohl fühlen. Doch bereits zu Beginn des Anrufs von einer Frau namens Klara merkt er, dass dieses Gespräch anders sein wird.
Klara ist verzweifelt, denn niemand glaubt ihr, dass der Kalender-Killer hinter ihr her ist – ein Serienmörder, der Frauen entführt und ihnen den Tag ihres Todes ankündigt. In Klaras Fall war es der 6. Dezember, also heute Abend. „Er oder du“ stand mit Blut an die Wand geschrieben. Das heißt, in den nächsten Stunden wird sich entscheiden, ob Klara selbst oder ihr gewalttätiger Ehemann, Staatssekretär Martin dran glauben müssen wird...
„Der Heimweg“ ist die Verfilmung eines Buches von Deutschlands Thriller-Papst Sebastian Fitzek. International vermarktet Amazon MGM den Film unter dem Titel „The Calendar Killer“, was auf den ersten Blick auch mehr Sinn ergibt. So oder so ist der Cast recht ordentlich besetzt: wir sehen Sabin Tambrea (zuletzt Franz Kafka in „Die Herrlichkeit des Lebens“) als Jules und Rainer Bock, der bereits auf eine lange und illustre Karriere in Deutschland und Hollywood zurückblickt, als dessen Vater HC. Luise Heyer ist die verzweifelte Klara, und Friedrich Mücke ihr fieser Ehemann.
Äußerst spannend ist die Story über weite Strecken ja schon, das muss man zugeben. Und doch zeigt „Der Heimweg“ auf, warum wohl Literaturkritiker Denis Scheck die meisten Fitzek-Romane fast schon unbelesen aufs Laufband in Richtung Papiercontainer pfeffert. Über lange Zeit erwächst der Eindruck, so gut wie jede neu eingeführte Person könne der Kalender-Killer sein. Dies liegt allerdings weniger daran, dass alle Charaktere so genial vielschichtig ausgearbeitet wären, sondern eher bleibt man im Gegenteil bevorzugt sehr vage, gefällt sich in vermeintlich wichtigen Andeutungen, die stets nur so lange neue Schlussfolgerungen zulassen, bis wieder das nächste weitere Faktum an die Oberfläche kommt.
Da scheint es dann gleich mehrfach so, als sei mal diese, mal jene Person amtlich verrückt oder sonstwie unzurechnungsfähig geworden und benötige dringend eine Therapie. Gewiss sorgt das für einiges an Thrill, doch ganz aufrichtig muss man sagen, dass hier auch eine Menge an Logik und Plausibilität auf dem Altar des Nervenkitzels geopfert wird. So iert häufig als nächstes das, was besonders spektakulär zu sein verspricht. Auf einem niedrigen Niveau geht sich das aus, nur viel gehaltvolles Fleisch ist in dieser Hinsicht sozusagen nicht am Knochen dran.
Eine zu Beginn von „Der Heimweg“ eingeblendete Triggerwarnung legt nahe, in den folgenden rund 90 Minuten Laufzeit setze man sich intensiv und dringend notwendig mit den Themen des Stalkings und der Gewalt gegen Frauen, vor allem auch innerhalb von Partnerschaften, auseinander. Doch erfolgt dies nur auf möglichst reißerische und wenig ernsthafte Weise. Ausdrückliche Kritik an misogynen männlichen Verhaltensmustern oder Lösungsansätze für betroffene Frauen finden in diesem Krimi kaum Platz. Schade, wäre dies doch ein Argument gewesen, über die teils arg merkwürdigen Wendungen hinwegzusehen. ionierte Fingernägelkauer haben eventuell sogar ihre einmalige Freude am Anschauen, doch einen Gefallen hat Amazon Prime/ MGM mit dieser Verfilmung weder Fitzek, der lediglich mit einer kleinen Cameo an der Produktion beteiligt war, noch sich selbst als Streamingdienst getan.
]]>Nachdem Ricky zuletzt alle möglichen schweren Hilfsarbeiten angenommen hatte, um seine Familie zu versorgen, sieht er nun eine große Chance gekommen: man bietet ihm an, Franchisenehmer für einen Lieferdienst zu werden, mit eigenem Truck, sein eigener Chef, auf eigene Verantwortung.
Dies klingt genau wie Rickys Ding, will er doch vor allem deswegen möglichst viel zum Gehalt seiner Frau Abby dazuverdienen, um für sie und die beiden Kinder ein eigenes Haus kaufen zu können, und auch in dieser Hinsicht frei und unabhängig zu werden. Was Ricky dann jedoch täglich erlebt, verlangt ihm mehr ab denn je zuvor, und seine Familie droht an der Belastung zu zerbrechen...
Mit „Sorry We Missed you“, der englischen Formulierung für „Leider haben wir Sie nicht angetroffen“, drehte der britische Regisseur Ken Loach einen, wie er selbst betont, ausgesprochen realitätsnahen Film über Familie und die heutzutage weit verbreiteten prekären Arbeitsverhältnisse. Familie Turner ist davon gleich doppelt betroffen, denn Ehefrau Abby ist schlecht bezahlte aber engagierte Pflegerin, muss nicht nur unbezahlt, sondern sogar auf eigene Kosten quer durch Newcastle düsen, um ihre Patienten zu versorgen und dabei bloß die vorgeschriebene Taktung einzuhalten. Dabei kommt es immer wieder zu Härtefällen, in denen es Abby das Herz zerreißt, mit Blick auf die Uhr widerwillig „nein“ sagen zu müssen, obwohl sie schon alles tut, was ihr irgendwie möglich ist.
Ihr Mann Ricky hat die Nase voll davon, sich in ebenso schlecht bezahlten und körperlich anstrengenden Jobs als Helfer beim Bau herumschubsen zu lassen. Der Job als selbständiger Auslieferungsfahrer im Franchise-System verspricht Freiheit und viel Geld, kann jedoch beide dieser Zusagen nicht einhalten. Die Unabhängigkeit entpuppt sich als Illusion, denn der Franchise-Geber stellt mehr und härtere Regeln auf, als es ein regulärer Arbeitgeber könnte. Die anfängliche Zuversicht Rickys schwindet dann auch nahezu täglich, und seine Familie leidet unter der dauerhaften Überforderung beider Elternteile. Während die kleine Liza Jane für ihr junges Alter umsichtiger und fürsorglicher agiert, als man es von ihr erwarten könnte, zeigt Teenagersohn Seb verstärkten Betreuungsbedarf. So sind bald immer heftigere Konflikte an der Tagesordnung.
Dass vor der Kamera fast ausschließlich Darstellerinnen und Darsteller mit wenig bis gar keiner Schauspielerfahrung agieren, die dafür aber dem zu ihrer Rolle enden Milieu entstammen, fällt zu keinem Zeitpunkt negativ auf. Im Gegenteil demonstriert das Ensemble auf sehr bedrückende Art sein Gefangensein im jeweiligen Job, basierend auf sozialen oder familiären Verpflichtungen, und nicht zuletzt auf der fehlenden Möglichkeit, sich jegliche Rücklagen ansparen zu können. So geht jeder entgangene Arbeitstag mit herben Verlusten einher, und verschärft die inzwischen ausweglos erscheinende Lage zusätzlich.
Tatsächlich kann oder möchte Regisseur Loach uns bis zum Schluss keine möglichen Auswege aus der Misere aufzeigen. Die Tatsache, dass es sich bei den Turners um eine offene und kommunikative Familie handelt, die lediglich durch die zunehmende Stressbelastung immer häufiger aneinander rasselt, lässt die Hoffnung umso schneller schwinden. Dennoch soll „Sorry We Missed You“ gewiss nicht besagen, es gebe einfach keine Alternative zum gezeigten ausbeuterischen Gesellschaftssystem. Was man aber unbedingt daraus mitnehmen sollte, ist einerseits die Warnung vor dubiosen Geschäftsmodellen, die zu gut klingen, um wahr zu sein. Zum Anderen werden wir alle gemahnt, gerade den Menschen, die für einen Hungerlohn mit erstaunlichem Engagement unheimlich wichtige Arbeit an ihren Mitmenschen tun, wenigstens den gebotenen Respekt zu erweisen. Es bleibt die Hoffnung, dass es diesbezüglich nicht bei Klatschen vom Balkon aus bleiben möge.
]]>Philibert, der in der geräumigen Wohnung seiner verstorbenen Großmutter lebt, ist schüchtern, menschenscheu und stottert. Sein Untermieter Franck, ein attraktiver Koch, versucht die Leere in seinem Leben mit Motorradfahren und bedeutungslosen Affären zu füllen. Nur Camille, die junge Reinigungskraft mit dem Talent zu zeichnen, die in der Dachkammer des Mehrfamilienhauses lebt, ist wirklich aufrichtig nett zu Philibert, ohne eine Gegenleistung dafür zu erwarten.
Als dieser sie eines Tages schwer grippekrank in ihrer zugigen Bude entdeckt, zögert er deswegen keine Sekunde, die charmante junge Frau in seine Wohnung zu holen und dort gesundzupflegen. Einmal halbwegs wieder auf den Beinen, besteht Camille wiederum darauf, Francks Großmutter aus dem Krankenhaus zu holen und gemeinsam in Philiberts Wohnung zu betreuen. So sind gleich vier Menschen, die zuvor recht einsam waren, auf einmal gar nicht mehr so allein – Probleme haben sie dennoch genug...
Mit „Zusammen ist man weniger allein“ verfilmte der vielseitige französische Regisseur Claude Berri 2007 den drei Jahre zuvor erschienenen gleichnamigen Roman von Anna Gavalda, dessen Titel zunächst wie eine Binsenweisheit klingen mag, aber doch viel Wahres beinhaltet und zudem ziemlich gut in einem Satz die Kernaussage der Geschichte auf den Punkt bringt.
Mit einer gewissen vornehmen Distanziertheit präsentieren sich uns einige Charaktere, die sich eingangs noch nicht gegenseitig kennen, aber doch bereits die Gemeinsamkeit miteinander teilen, die Suche nach ihrem persönlichen Glück bereits aufgegeben zu haben. Philibert versteckt sich liebend gern vor aller Welt in seiner Wohnung, wo niemand über ihn lachen kann. Franck ist immer wieder auf der Jagd nach eher vergänglichem Vergnügen, und seine Oma sieht mit ihrem Sturz das Ende ihres Lebens in Unabhängigkeit gekommen. Camille, die wunderschön zeichnen kann, geht für ganz kleines Geld putzen und kann sich dadurch bedingt nicht einmal ein vernünftig beheiztes Zimmer leisten.
Dennoch ist sie zumindest innerhalb dieses Quartetts noch die lebenslustigste und zuversichtlichste Person von allen, und sorgt mit ihren Aktionen für Bewegung und Veränderung in der kurz zuvor noch nicht vorstellbaren Wohngemeinschaft – auch für sich selbst. Dass diese Reise keine wirklich geradlinige Entwicklung nimmt, versteht sich beinahe von selbst. Dennoch wird die Story mit anfangs noch eher dramatischen Momenten dann immer mehr zum Wohlfühlfilm mit typisch französischer Atmosphäre und einer Audrey Tautou, die gar nicht mal viel investieren muss, sondern auch sehr zurückgenommen eine tolle Präsenz und Ausstrahlung bietet.
Philibert alias Laurent Stocker spielt den Außenseiter mit Sprachfehler extrem reizend, sammelt viele Sympathien (kein Mitleid!), und erzeugt vielleicht sogar ein wenig Verständnis und Rücksichtnahme für all die, denen nicht wie von Zauberhand sofort alle Herzen zufliegen. Guillaume Canet spielt den Franck gewiss nicht schlecht, nur war mir seine Rolle ein wenig zu vorhersehbar und flach, wie auch insgesamt die ganze Konstellation in dieser WG bei all ihrer Liebenswürdigkeit irgendwie doch ausgedacht und leicht bemüht wirkt.
Und doch kann „Zusammen ist man weniger allein“ Männern wie Frauen unterschiedlicher Generationen Mut machen, die sich einsam fühlen und etwas an ihrem Leben verändern möchten. Die ersten Schritte mögen besonders schwer sein, doch mit etwas Glück und ein bisschen Hilfe geht es danach umso einfacher. Die auf diesem Weg entstehenden Kontakte müssen nicht für immer halten, können aber dazu beitragen, etwas für unser restliches Leben ungemein Wertvolles in Bewegung zu setzen. Die sehr ruhig und detailreich erzählte Geschichte sorgt definitiv für ein Wohlgefühl und eventuell sogar für die nötige Aufbruchsstimmung.
]]>In ihrem bisherigen jungen Leben hatte sie nur die Schule, die Schauspielausbildung und die Gräuel des Zweiten Weltkriegs erlebt, als sie schon mit ihrer ersten Filmrolle zum deutschen Superstar wurde. Da könne man schon mal der Versuchung erliegen zu glauben, Ruhm und Erfolg seien selbstverständlich, so die Schauspielerin, Sängerin und Autorin in einem von vielen Ausschnitten diverser Fernsehinterviews, die für den neuen Dokumentarfilm „Ich will alles. Hildegard Knef“ von Regisseurin Luzia Schmid zu sehen sind.
Außerdem bringt man uns in diesem Film mit Live-Auftritten, bisher unveröffentlichtem Material zum Beispiel von Proben, sowie ganz neuen ausführlichen Statements ihrer Tochter Christina und ihres dritten und letzten Ehemanns Paul von Schell den sehr faszinierenden und manchmal auch widersprüchlichen Charakter der Knef näher.
„Ich will alles oder nichts“, ein Zitat aus „Für mich soll's rote Rosen regnen“, war auch im wahren Leben offensichtlich ein Motto, an dem Knef sich gerne orientierte. Sie war stets eine Frau, die hohe Risiken einging, teilweise alles auf eine Karte setzte, und dabei auch oft genug verlor. Doch gelang es wohl kaum einer Künstlerin, damit zumindest nach außen hin so abgeklärt umzugehen, wie ihr. Wenn sie schon scheitern müsse, „dann krachend“, so ihre Anforderung gegenüber sich selbst, wie es ihr beispielsweise im Rahmen ihres ersten, sehr frühen beruflichen Ausflugs nach Hollywood geschah.
Eher in thematisch als chronologisch ender Abfolge werden über 98 Minuten immer mehr interessante Facetten des Multitalents aufgedeckt. Wir erfahren Details über ihre ersten beiden Ehen, vor allem über die zweite mit David „Tonio“ Cameron, während der die beiden beruflich wie privat eng verbandelt waren. Freiherr von Schell wiederum, der aktuell noch lebt, gibt freimütig zu Protokoll, die Öffentlichkeit sei ihm stets zuwider gewesen, in dem Bewusstsein jedoch, dass es an Hildes Seite nicht anders ging.
Sehr spannend und inspirierend zu beobachten ist, wie Knef immer wieder den Mut fand, sich neu auszuprobieren, wie sie andere Betätigungsfelder suchte und fand, wie sie im Nachhinein auch unumwunden große Fehlentscheidungen ihrer Karriere benennt, und davon abgesehen in den meisten ihrer Interviews spontan druckreife, gestochen scharfe Statements setzt. Wer während des Zweiten Weltkriegs aufgewachsen ist, so erklärt Tochter Christina sinngemäß, den kann in seinem weiteren Leben zumindest nicht mehr viel wirklich aus der Bahn werfen – auch nicht die weit über 50 Operationen, die Knef wegen ihrer Krebserkrankung und weiterer Leiden über sich ergehen lassen musste. Mit ihrem öffentlichen Leben verband sie auch in den schwersten Zeiten eine ambivalente Form der Liebe: mal fürchtete sie sich davor, draußen erkannt zu werden, mal davor, vielleicht nicht erkannt zu werden.
Durch all dies führt übrigens keine externe moderierende Person hindurch. Wenn wir mal ergänzend zu den zahlreichen Originalaufnahmen eine Erzählstimme aus dem Off hören, dann ist es Nina Kunzendorf, die aus Knefs Buch „Der geschenkte Gaul“ oder ihren privaten Aufzeichnungen vorliest. Die Bühne gehört also fast ausschließlich Hildegard Knef selbst, und es ist zu vermuten, dass ihr dies gefallen hätte. Auch ohne mit ihr vorher viel zu verknüpfen oder inhaltlich zu verbinden, weiß „Ich will alles“ eine faszinierende Frau und Künstlerin gekonnt zu porträtieren, die höchstwahrscheinlich oft genug auch schwierig war, aber eben auch ein großer deutscher Film- und Gesangsstar mit internationalen Kontakten und Zeitgenossen wie Cole Porter, Marlene Dietrich oder Billy Wilder. Auch wenn, wie man so hört (und ich auch anekdotisch bestätigen kann), überwiegend ältere Damen im Kinopublikum sitzen, kann sich jedes Geschlecht in jedem Alter an dieser Frau in mehrfacher Hinsicht ein Beispiel nehmen und etwas lernen.
]]>Schon als kleiner Junge von seiner Mutter vermeintlich verstoßen, wächst Vladimir bei Verwandten in Leningrad auf. Früh muss er lernen, sich durchzusetzen – zur Not auch mit Gewalt. Eine Lektion, die sein ganzes weiteres Leben beeinflusst.
Als Emporkömmling von allen verachtet, beginnt sein steiler Aufstieg. Er wird stellvertretender Bürgermeister von Leningrad, hochrangiger Agent und später Leiter des FSB, und schließlich sogar Präsident Russlands. Von unstillbarem Ehrgeiz und Visionen aus seiner Vergangenheit getrieben, bringt er mit seinen Entscheidungen Leid über die Menschen in Russland und der ganzen Welt...
In seiner polnischen Heimat ist Regisseur Patryk Vega ein recht umstrittener Künstler. Die Erfolge an den Kinokassen sprechen für sich, doch viele Kritiker lassen kein gutes Haar an dem Mann, der nun mit „Putin“ ein Biopic über einen der meistgehassten Menschen der Welt gedreht hat. Von sich reden machte der Film schon wegen einer neu entwickelten Technologie, mit deren Hilfe Hauptdarsteller Sławomir Sobala die Gesichtszüge des russischen Präsidenten übergestülpt wurden. Während dies in der ersten Szene noch arg befremdlich und surreal wirkt, stellt sich diesbezüglich im Laufe der knapp 110 Minuten Laufzeit ein gewisser Gewöhnungseffekt ein.
Bei einer derart weltbekannten, aktuellen Person der Zeitgeschichte, die praktisch täglich in den Nachrichten zu sehen ist, sei Vega zufolge kein herkömmlicher Einsatz eines Darstellers mit noch so großer Ähnlichkeit zu Putin möglich gewesen. Hierüber kann man sicherlich geteilter Meinung sein, und gerade Verfechter hochwertiger Schauspielkunst werden zurecht anmerken, dass optische Ähnlichkeit durch Make-up, Kostüme oder Gesichtsprothesen letztendlich von nachrangiger Wichtigkeit gegenüber einer überzeugenden Performance ist.
Vega legt jedoch in seiner Argumentation nach: Zielsetzung seines Projekts sei es gewesen, für mehr Frieden auf der Welt zu sorgen, indem man Putin als schwachen Feigling demaskiere. Ein hehres Ziel, und zugleich eine Methode mit fragwürdigen Erfolgsaussichten. Bildgewaltig geht es dabei definitiv zu, und häufig wird auch hier künstliche Intelligenz zum Einsatz gebracht – wenig erstaunlich, dass es keine Drehgenehmigung für den Roten Platz oder gar das Innere des Kreml gab. Doch das Bild des Diktators in spe macht einen recht diffusen, uneindeutigen Eindruck.
Schon von Kindesbeinen an, so zeigt es zumindest Vega, wurde Putin zum Opfer äußerst schädlicher Einflüsse aus seinem Umfeld. Später stieß er während seines Aufstiegs auf reichlich Vorbilder in Sachen Korruption und Machtgier, die es aber an Professionalität und Konsequenz mangeln ließen und darum relativ leicht aus dem Weg geräumt werden konnten. Ohne dafür handfeste Beweise zu haben, stellt Vega zudem die These auf, so gut wie alle tschetschenischen Anschläge auf russischem Boden seien putinsche Inside-Jobs gewesen. Man kann dies gewiss nicht ausschließen, doch sollte auch eine Fokussierung auf die bereits zweifelsfrei nachgewiesenen Grausamkeiten eigentlich dazu gereicht haben, die gewünschte Message zu übermitteln.
Zusätzlich zu seinen körperlichen Gebrechen dichtet der Regisseur Putin auch noch einen schweren Fall von chronischer Schizophrenie an. Gegner werden dies als Verächtlichmachung wahrnehmen, Befürworter womöglich als Rechtfertigung oder gar Entschuldigung für einige seiner unbarmherzigen Taten. Irgendwie reizvoll dargestellt, aber schärfer wird das Bild dadurch nicht.
„Übermotiviert“ wäre meine Kritik in einem Wort an „Putin“ - am Film, nicht an der gleichnamigen Person, denn für diese können die Bezeichnungen nicht harsch genug sein. Durchaus mit einigen interessanten kreativen Ansatzpunkten bestückt, zeigt Vega ungewollt, dass zwischen den Begriffen „künstlich“ und „künstlerisch“ ein großer Unterschied besteht. Es wirkt, als habe hier jemand zügellos seine noch so verständliche Wut an einem der am meisten verachteten Menschen überhaupt abgearbeitet: mit einem allzu plakativen Resultat ohne subtile, feinfühlige Facetten.
]]>Nie im Leben möchte Gabriele „Ella“ Münter so werden wie ihre Schwester, und nach einem möglichst wohlhabenden Versorger Ausschau halten. Sie selbst strebt nach Unabhängigkeit und einer Karriere als Künstlerin, und nimmt eine Ausbildung an der Münchner Kunsthochschule „Phalanx“ auf. Dort trifft sie auf Wassily Kandinsky, einen ihrer Dozenten, von dem sie sofort fasziniert ist.
Trotz des Altersunterschieds von 11 Jahren und ihrem Abhängigkeitsverhältnis verlieben sich die beiden und werden ein Paar. Erst danach gesteht Kandinsky seiner Ella, dass er bereits verheiratet ist, und er die Ehe nicht ohne weiteres auflösen könne, auch wenn sie ihm nichts bedeute. Es beginnt eine langjährige Beziehung voller künstlerischer Höhenflüge, aber auch immer wieder enttäuschter Hoffnungen...
Mit viel Leidenschaft und auch großen eigenen künstlerischen Ambitionen erweckte Regisseur Marcus Rosenmüller dieses Biopic über zwei große Kunstschaffende, Wassily Kandinsky, aber vor allen Dingen Gabriele Münter, zum Leben. Ihr russischer Lehrer und Geliebter, wenn auch im Titel „Münter und Kandinsky“ gleichrangig aufgeführt, nimmt faktisch nur eine, wenn auch gewichtige, Nebenrolle ein, durch welche die Vita Münters durchaus nachhaltig geprägt wurde.
Unser Hauptaugenmerk wird gelenkt auf eine junge Frau, die zielstrebig und unbeirrbar dem Zeitgeist trotzte und sich gegen diverse gesellschaftliche Widerstände ein Leben als Künstlerin erkämpfte. Unabhängigkeit war für sie ein erkennbar hohes Gut, weswegen es für sie niemals in Frage kommen würde, sich finanziell einem Mann auszuliefern. Die Tragik, vielleicht sogar die Ironie ihrer Geschichte erkennen wir dann darin, dass sie sich stattdessen in emotionaler Hinsicht einem Mann hingibt und ihm viele gute gemeinsame Jahre schenkt, der ihr dafür jedoch nicht das zurückgibt, was sie sich erhofft hatte.
Viele Arten von Bildern und anderen Kunstwerken bekommen wir zu sehen – allerdings erhält das Publikum keinen Unterricht in Malerei, wofür sich auf YouTube gewiss genügend entsprechende Tutorials finden. Lust zu malen bekommt man beim Anschauen dennoch auf jeden Fall, wenn da diese umwerfend schönen Landschaften auf dem Bildschirm erstrahlen, und man uns vor allen Dingen auch noch vorführt, auf wie viele verschiedene Weisen man diese im expressionistischen Stil auf der Leinwand umsetzen kann.
Vanessa Loibl begeistert regelrecht in ihrer ersten großen Kinorolle, darf eine Menge an Gefühlen ausleben und tut dies auch ohne Hemmungen, im Gegensatz zu Vladimir Burlakov, dessen Kandinsky selbst in verbalen Auseinandersetzungen selten auch nur die Stimme erhebt. Gut erkennbar lässt er niemals eine Partnerschaft auf wirklicher Augenhöhe zu, bleibt stets der Lehrer, der seine Schülerin in allem unterweisen und eben belehren zu müssen glaubt, auch als sie für die Öffentlichkeit schon längst nicht mehr in seinem Schatten steht.
Auf ansprechende, einfallsreiche Weise werden Erinnerungen, Gedanken und Gefühle visualisiert, was sehr gut zur gewählten Thematik t, immer wieder einfühlsam unterstützt von Variationen musikalischer Themen. Problematisch an „Münter und Kandinsky“ könnte sein, dass dieser, während er gewiss sein Publikum vor allem unter kunstinteressierten Menschen finden wird, für diese Zielgruppe dann stilistisch und technisch womöglich nicht genügend in die Tiefe geht – wobei es allein schon beeindruckend ist, dem Abspann zu entnehmen, welche Vielzahl an Originalgemälden diverse Museen für die Produktion zur Verfügung stellten. Auch aus dem äußerst lebhaften Diskussionen unter den Mitgliedern des „Blauen Reiters“ kann man viel mitnehmen, wenn man aufmerksam zuhört. Als lebendiges Porträt einer großen deutschen Malerin und Frau der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist der Film dessen ungeachtet definitiv gelungen.
]]>Nach ihrer Befreiung aus dem Konzentrationslager kehrt die junge Susanne Wallner in ihre Heimatstadt Berlin zurück. Hier muss sie feststellen, dass der Chirurg Hans Mertens, der lebendig von der Front wiedergekommen ist, ihre Wohnung für sich beansprucht. Susanne ist bereit, die Wohnung bis auf Weiteres mit dem Arzt zu teilen, und nach kurzer aber heftiger Diskussion willigt dieser ein.
Obschon die beiden beginnen, sich an einander zu gewöhnen, bleibt ihr Verhältnis von Komplikationen geprägt. So kommt es zu einem mittleren Eklat, nachdem Susanne unter Hans' Sachen einen Brief entdeckt, den sein sterbender Hauptmann ihm für dessen Frau in Berlin anvertraut hatte. Während er sich aus ungenannten Gründen weigert, hält sie es für ihre Pflicht, der Witwe den Brief ihres Mannes zu überbringen. Dabei macht sie eine Entdeckung, die ihr noch dabei helfen soll, Hans' Depressionen, Wutanfälle und Alkoholismus nachvollziehen zu können...
„Die Mörder sind unter uns“ von Regisseur und Autor Wolfgang Staudte spielt nicht einmal ein ganzes Jahr vor dem Zeitraum der Dreharbeiten, wodurch noch viele Ruinen der großflächig zerstörten Stadt Berlin als Originalschauplätze für Außenaufnahmen zur Verfügung standen. Auch ohne dies zu wissen, strahlen die so eingefangenen Bilder eine ungeahnte Authentizität aus, die man sonst nur aus Dokumentarfilmen der unmittelbaren Nachkriegszeit kennt.
Eine ganz eigene Stimmung wird im Zusammenspiel der verschiedenen Charaktere vorgeführt, die heutzutage kaum noch eine lebendige Generation in Deutschland wird nachempfinden können. Die Daheimgebliebenen, die einen Großteil ihrer Unbeschwertheit für immer verloren haben, strahlen zumindest ein wenig Hoffnung und Zuversicht aus, und wünschen sich sehnlichst ihre vermissten Angehörigen herbei, über deren Ableben noch keine Bestätigung erfolgte. Man versuchte sich notgedrungen so flexibel wie möglich den gegebenen Umständen anzuen. Dies sowohl bezogen auf Grundbedürfnisse wie Essen, Kleidung und Wohnen, als auch auf zwischenmenschliche Arrangements, für die man nicht stundenlang auf dem Smartphone hin- und herswipte, sondern die gegebenen Zustände annahm und sich umeinander kümmerte.
Die Rückkehrer aus dem Krieg wiederum scheinen besonderen Wert darauf zu legen, nur noch nach vorne zu blicken und eventuelle Vorwürfe der Grausamkeit oder Kriegsverbrechen beflissentlich zu verdrängen. Nur Hans bildet diesbezüglich eine Ausnahme, ist offenkundig zu traumatisiert, um das Gesehene und Erlebte ausblenden zu können, und hält sich sogar für unfähig, seinen Beruf als Arzt weiter auszuüben.
Im Grunde sagt es der Filmtitel überdeutlich: nach dem Krieg versuchten sich unzählige Angehörige der Wehrmacht wieder in eine neu aufzubauende Gesellschaft zu integrieren, von denen eine Mehrheit in den letzten Jahren das soziale Tabu des Tötens gebrochen hatte. Manche von ihnen hatten jedoch noch wesentlich schlimmere Schuld auf sich geladen, die nach Aufarbeitung und Bestrafung verlangte. Das verständliche Interesse der Täter, Gras über die Vergangenheit wachsen zu lassen, stieß wohl zu großen Teilen auf Gegenliebe, da niemand im Gegenzug auf seine eigene Schuld angesprochen werden wollte und somit weit verbreitet auch kein großes Interesse an Aufklärung bestand. Ein Umstand, dessen negative Auswirkungen wir selbst 80 Jahre später in der Bundesrepublik immer noch zu spüren bekommen.
Aus heutiger Sicht wirkt „Die Mörder sind unter uns“ hier und da ein wenig befremdlich. Wichtige Elemente der Handlung, wie die schrittweise Annäherung von Susanne und Hans, werden recht sprunghaft und schwer nachzuvollziehen erzählt. Manche orchestrale Effekte wirken mittlerweile weniger dramatisch als eher komisch. Doch wird nach damaligem Stand der Technik sehr künstlerisch mit Überblendungen gearbeitet, insbesondere im intensiven Finale, und der Film ist nicht nur ein wertvolles Zeitdokument der unmittelbaren Nachkriegszeit in Deutschland, sondern es hätte offenbar gut und gerne noch deutlich mehr derartiger Produktionen wie dieser bedurft, die in ihrer Ausrichtung angesichts der vorherrschenden Stimmung gewiss auch recht mutig war.
]]>Der Hilfsarbeiter Fritz Honka lebt in einer Mansardenwohnung auf St. Pauli. Für sein Leben als Außenseiter gibt es eine Menge Gründe – er hat sich mehr oder weniger aufgegeben und verbringt viel Zeit in einer Kneipe in seiner Nachbarschaft, wo er sich betrinkt und mithilfe der Belegschaft Frauen einlädt, mit zu ihm nach Hause zu kommen. Da er bei den meisten Damen abblitzt, versucht er es notgedrungen auch bei solchen, die alt, betrunken und verzweifelt genug auf ihn wirken.
Doch Honka ist nicht wirklich auf Romantik aus. Seine Sexualität ist geprägt von Gewaltausübung, Dominanz und Kompensation regelmäßig erfahrener Demütigung. Und wehe, die Frau wehrt sich oder „provoziert“ ihren Peiniger auf andere Weise – dann muss sie sterben. Die zerstückelten Leichen seiner Opfer versteckt Honka in den Zwischenwänden seiner heruntergekommenen Bude. Ein einschneidendes Erlebnis lässt Honka seinen Lebenswandel überdenken...
Heinz Strunk und Fatih Akin sind beide waschechte, gebürtige Hamburger. Der eine veröffentlichte 2016 den Roman „Der goldene Handschuh“ über die wahre Geschichte des Serienmörders Fritz Honka, der andere machte daraus ein Drehbuch und führte Regie bei der filmischen Adaption 2019. Diese scheitert jedoch beinahe auf ganzer Linie.
Filme über Killer, zumal mit Bezug zu tatsächlichen Personen und Ereignissen, sehen sich oftmals dem Vorwurf ausgesetzt, Täter und deren Grausamkeit zu faszinierend in Szene zu setzen, wodurch eine kritische Distanzierung auf der Strecke bleibt. Dessen macht sich Akin beileibe nicht schuldig, denn glorifiziert wird in dieser Story schlicht niemand. Im Gegenteil scheint der ganze Kiez mehrheitlich aus bemitleidenswerten Versagern zu bestehen, die sich abwechselnd volllaufen lassen, miteinander schimpfen oder sich prügeln.
Und Honka? Der könnte einem ja beinahe leid tun, wirkte er nicht mal wie eine Karikatur im Stile eines Horst Schlämmer, und mal wie ein Untier, das mit ungezügelter Aggressivität wehrlose Frauen demütigt, erniedrigt und zusammenschlägt. Frauen, von denen wir zumeist allenfalls den Vornamen erfahren, wodurch Honkas Bild von ihnen bestätigt zu werden scheint: wertlos, austauschbar, Verfügungsmasse.
Mit voyeuristischem Eifer hält die Kamera bei den zahlreichen, gleichermaßen würdelosen Sex- und Gewaltszenen gnadenlos drauf, was auf Kosten einer fehlenden Jugendfreigabe ging. Höchst zweifelhaft bleibt, ob sich diese Entscheidung in künstlerischer Sicht gelohnt hat. Macht es doch den Eindruck, als wolle Akin ganz gezielt mit seiner Beinahe-Tabulosigkeit im größtmöglichen Ausmaß schockieren. Doch wie en die beiden Seiten des Film-Honkas, die lächerliche und die hemmungslos brutale, mit der Zielsetzung des Regisseurs zusammen, allen Figuren der Story, selbst dem Serienmörder, einen gewissen Grad an Würde zu verleihen? Dies, so sagt er zumindest, habe ihm an der Buchvorlage am meisten gefallen. Wirklich würdevoll verhält sich hier niemand.
Die ganzen 110 Minuten über bleibt unklar, was man uns sagen möchte. Fast dokumentarisch wird gezeigt, wie sich alles (vermutlich) zugetragen hat, ohne jegliche Beschönigungen oder Auslassung ekliger Details. Trotzdem funktioniert der Film nicht als Horror, nicht als Komödie und nicht als Thriller, sondern versucht lediglich erfolgreich, mit abstoßenden Details zu entsetzen. Für eine packende Persönlichkeitsstudie geht man deutlich zu wenig auf die inneren Abläufe der Hauptfigur ein – oder es gibt schlicht keine, die es sich zu zeigen lohnen würde. Schade um die gute Kameraarbeit, top Ausstattung und Set-Design, dass „Der goldene Handschuh“ in den meisten anderen Disziplinen kaum mithalten kann.
]]>Nachdem Nachwuchs-Agent Lee Harker durch ein unerklärlich hohes Ausmaß an Intuition auf Anhieb einen Fall lösen kann, wird sie von ihrem Vorgesetzten Agent Carter auf einen seit Jahrzehnten aktiven Serienkiller angesetzt, der am Tatort kryptische und mit „Longlegs“ unterschriebene Briefe hinterlässt.
Im Rahmen ihrer Ermittlungen erhält auch Lee selbst einen Brief vom Täter. Danach mehren sich Hinweise darauf, die beiden könnten durch ein dunkles Geheimnis aus der Vergangenheit irgendwie miteinander in Verbindung stehen. Noch entschlossener als zuvor will Lee nun auch aus ganz persönlichem Interesse den Mörder zur Strecke bringen...
Regisseur Osgood „Oz“ Perkins ist spezialisiert auf ungewöhnliche Horrorfilme, wie er auch gerade zuletzt wieder mit der Stephen-King-Adaption „The Monkey“ unter Beweis stellte. Der älteste Sohn von „Psycho“-Star Anthony Perkins alias Norman Bates dreht allerdings auch gerne selbstgeschriebene Geschichten, so wie den 2024 erschienenen Thriller mit Horrorelementen „Longlegs“.
In mehrfacher Hinsicht weist die Produktion ihre Besonderheiten auf. So macht nicht nur das Bilddesign und -format erstmals gleich im Intro deutlich, dass die Story auf zwei verschiedenen Zeitebenen spielt. Die Gegenwartshandlung ist irgendwann in den 1990ern, während der Präsidentschaft von Bill Clinton, angesiedelt, frühere Szenen stammen vom Anfang der 1970er. Hier läuft alles innerhalb eines quadratischen Rahmens ab, flackert, und man hört beinahe einen Projektor rattern.
Zudem spielt Kameramann Andres Arochi optisch eine Menge mit Räumen herum, mit Tiefe und mit (Un-)Schärfen, vermittelt Orientierungslosigkeit und Unbehagen, lässt die oft auf eigene Faust ermittelnde Agent Harker teilweise zur Randfigur in ihrer Umgebung werden, oder zeigt sie aus einer geheimnisvollen Beobachterperspektive. Als daraus entstehendem Effekt sucht man instinktiv und angespannt immer wieder den Hintergrund nach verräterischen Details oder Bewegungen ab – oft genug ohne eindeutiges Ergebnis, was die Anspannung eher noch vergrößert.
Natürlich ist Nicolas Cage trotz seiner vergleichsweise geringen Screentime sowohl ein Blickfang als auch eine der Säulen des Projekts. Wenn man ihn zu sehen bekommt, dann selten in Gänze, und wenn doch, dann nur für Bruchteile von Sekunden. Sein Charakter-Design wirkt dadurch besonders verstörend, doch gleichzeitig auch fast schon ein wenig albern, lässt man ihn uns ausnahmsweise mal etwas länger und in Ruhe betrachten. Seine Gegenspielerin Maika Monroe, die erstmals mit „It Follows“ von sich reden machte, zeigt eine engagierte, seriöse und mehr als ordentliche Leistung. Dass man Teile der Auflösung schon recht früh zumindest erahnen kann, ist dabei weder ihre Schuld, noch die ihrer beinahe zu jungen Filmmutter Alicia Witt.
Handwerklich-technisch ist Perkins mit „Longlegs“ ein überzeugender, recht großer Wurf gelungen. Inhaltlich ist der Thriller zwar keine echte Enttäuschung, verströmt eine Menge Atmosphäre und die Jagd auf den Killer und sein Geheimnis fühlt sich spannend an. Ist diese Jagd aber beendet, kann sich je nach persönlichem Geschmack Enttäuschung über des Rätsels Lösung breitmachen. Ebenso muss man Perkins' wiederholt auftretende Mischung aus Horror und gewollt oder ungewollt absurder Komik mögen – nachvollziehbar, wenn man den Eindruck gewinnt, beide Elemente stünden einander gegenseitig eher im Weg.
]]>Einmal Dinosaurier to go, bitte!
Kommenden Sommer dürfen sich alle Dino-Fans auf den Kinostart der „Wiedergeburt“ von Jurassic World freuen – sofern und soweit sie denn Freude an den bisherigen drei Teilen mit Chris Pratt & Co hatten. Als Appetithäppchen zur Verkürzung der Wartezeit gibt es nun bei Amazon Prime Video „Lego Jurassic Park – The Unofficial Retelling“.
Während die Geschichte des wohl beliebtesten Dinosaurier-Films aller Zeiten aus dem Jahr 1993 hinlänglich bekannt sein sollte, erleben wir hier den Versuch, den dazugehörigen Plot in nur 22 Minuten von Lego-Ian Malcolm nacherzählt zu bekommen. Natürlich bleiben dabei viele Details auf der Strecke, doch eine Menge der ikonischen Szenen werden tatsächlich mit den populären animierten Bauklötzchen nachgestellt, und durch geschickte Schnitte und einordnende Kommentaren von Dr. Malcolm miteinander verknüpft, während er aus seinem Tagebuch vorliest.
In der Lego-Version der Story, die erst mit dem Hubschrauberflug des vermögenden Best-Agers John Hammond und seiner Gäste zur Isla Nublar beginnt, schlägt man einen gewohnt kindgerechten Ton an, sowohl was einen stellenweise albernen Humor als auch die Entschärfung von Gewaltszenen betrifft. Ja, der Tyrannosaurus und die Velociraptoren sind mit von der Partie, doch sehen wir sie weder explizit andere Tiere oder Menschen töten, noch wird einer der Urzeitechsen durch die menschlichen Besucher ein Haar gekrümmt.
Für Kids ist diese Fassung sowohl bezüglich Inhalt als auch Laufzeit erheblich altersgerechter als die Original-Vision von Regisseur Steven Spielberg, die trotz ihrer inzwischen über 30 Jahre auch in technischer Hinsicht immer noch zu beeindrucken versteht. Erwachsene werden den Lego-Kurzfilm amüsant und nett, vielleicht sogar charmant finden, doch ihn in erster Linie deswegen genießen, weil ihr Erinnerungsvermögen automatisch die weggelassenen Szenen ergänzt. Jedenfalls wäre ganz bestimmt die falsche Schlussfolgerung, der Blockbuster aus den frühen 90ern habe sich damals eine Stunde und 45 Minuten mehr Zeit genommen als nötig.
Verglichen mit der Buchvorlage „Dino Park“ von Michael Crichton ist im Legoland mal wieder alles noch etwas fröhlicher und das Happy End sogar noch happier als schon im Spielfilm mit Sam Neill und Laura Dern, vereinzelt sogar selbstironisch. Das hat zwar mit den Kernaussagen über die wilde Natur und unvorhersehbare Folgen durch menschliche Manipulation schlicht gar nichts mehr zu tun und bleibt dadurch reines Action-Entertainment. Nicht zuletzt durch die überschaubare Länge von ungefähr einer Simpsons-Folge kann man mit dieser Cover-Version von „Jurassic Park“ allerdings auch nicht viel falsch machen.
]]>Gemeinsam mit Mutter Sandy und Stiefvater Vincent verbringt College-Boy DJ die Zeit zwischen den Jahren in ihrem Ferienhaus in den Wäldern von New Jersey. Die Idylle wird empfindlich gestört, als plötzlich Vincents Sohn aus erster Ehe Rocco hereinplatzt – mitsamt seiner Mutter Ruth und einer hochschwangeren jungen Frau namens Marina im Schlepptau.
Rocco, der behauptet, seiner Freundin endlich seine ganze Familie vorstellen zu wollen, steckt in Wirklichkeit in großen Schwierigkeiten: er hat den skrupellosen, brutalen Kriminellen Leftie so sehr verärgert, dass dieser gemeinsam mit seinem Handlanger Lonnie nun unterwegs ist, um Rocco zu finden und zu erledigen. Die Hoffnungen des Familienvaters in spe liegen auf der Hilfe von Vater Vincent, über dessen Vergangenheit seine aktuelle Familie bisher keine Ahnung hat...
Mit dem Filmtitel „Riff Raff“, einem englischsprachigen Ausdruck für „Gesindel“, und dem deutschen Untertitel „Verbrechen ist Familiensache“ weiß man schon erstaunlich viel über das aktuelle Projekt von Regisseur Dito Montiel, der ein Drehbuch von John Pollono verfilmte. Pollono hatte zuvor auch bereits das Theaterstück verfasst, auf dem der Film basiert.
„Gesindel“ bezieht sich zum einen wohl auf die aktuell oder ehemalig der Unterwelt zugehörigen Menschen, die mit höchst zwielichtigen Methoden an ihr Geld gekommen sind. Es kann aber sehr gut auch als Beschreibung des Benehmens einiger der auftretenden Figuren verstanden werden. Allgemein wird recht viel geflucht, wovon sich zu guter Letzt sogar die eher distinguiert auftretende Sandy (Gabrielle Union) und Sohn DJ (Miles J. Harvey) anstecken lassen. Vor allem Vincents Ex-Frau Ruth (Jennifer Coolidge) nimmt nicht nur kein Blatt vor den Mund, sondern verhält sich auch darüber hinaus als eher würdelos gealterte Dame reichlich unverschämt und tabulos.
Zahlreiche familiäre Konstellationen, egal ob biologisch oder durch Wahlverwandtschaft bedingt, stehen dann durchweg im Mittelpunkt des Geschehens und sind sowohl Motivation als auch Ursache für so gut wie alles, was sich in 103 Minuten auf der Leinwand abspielt. Dabei glänzen vor allem Ed Harris und Bill Murray als einander großartig ergänzende Gegenspieler, aber auch glaubwürdige Patriarchen ihres jeweiligen Clans. Ihre Performance legt nahe, dass beide trotz fortgeschrittenen Alters noch Potential für einige große Rollen in sich tragen. Auch Jennifer Coolidge macht einen tollen Job als fleischgewordene Provokation, deren Part allerdings mit zu viel Fremdscham-Komik hier und da ein wenig übers Ziel hinausschießt. Insgesamt darf man dem kompletten Cast, inklusive Bill Pullmans Sohn Lewis, eine super Leistung attestieren, die dazu führt, dass der Film so gesehen dank optimaler Besetzung etwas überperformt.
Der Humor changiert immer wieder zwischen liebenswert-absurden Schmunzelwitzen à la Jim Jarmusch und eher derben Sprüchen, die zumeist tief unter die Gürtellinie gehen und nicht unbedingt immer gelungen sind. Bisweilen wird der Humor auch tiefschwarz und man erschrickt geradezu über die gezielt eingestreuten heftigen Gewaltspitzen, die auf dazu end explizite Art gezeigt werden. Hier bleibt einem so manches Mal das Lachen im Halse stecken, und man fühlt sich beinahe schuldig, sich bis gerade eben noch so hervorragend über die skurrile Familie amüsiert zu haben. Hübsch in die Geschichte eingewoben sind übrigens auch mehrere Rückblenden, immer wenn jemand von etwas Vergangenem zu erzählen beginnt und dabei gelegentlich schon mal unterbrochen wird.
Die größte Schwäche von „Riff Raff – Verbrechen ist Familiensache“ liegt leider ausgerechnet im Finale, das sich zunächst unrealistisch und arg zurechtgebogen anfühlt, und dann unter Auslassung einiger nützlicher Details ohne große Pointe ausplätschert. Familie, so wohl die wichtigste Kernaussage von Autor Pollono, ist unabhängig von sozialen Schichten das, was uns alle manchmal wahnsinnig macht, aber auch am meisten antreibt, tröstet und aufrechterhält, selbst wenn wir oft unsere eigenen Verwandten mit Abstand am schlechtesten behandeln.
]]>Am Anfang dieses Jahrtausends wachsen die beiden Brüder Philipp und Tobi in der sächsischen Provinz auf. Seit langer Zeit baut Vater Stefan, von Beruf Elektriker, für seine Familie eigenhändig ein Haus, kommt jedoch nur schleppend voran. Für seinen Arbeitgeber muss er oft weit weg auf Montage fahren, weil zu Hause meist die wesentlich günstigeren polnischen Arbeiter bevorzugt werden.
In den folgenden Wochen und Monaten wird sich vieles verändern, und kaum etwas davon zum Guten. Philipp und Tobi sind innerhalb eines instabilen, zerbrechlichen Umfelds auf der Suche nach Orientierung und einem Ventil für ihre schier ohnmächtige Wut...
„Mit der Faust in die Welt schlagen“ basiert auf dem gleichnamigen, autobiographisch geprägten Roman von Lukas Rietzschel, der sich bestens mit dem gewählten Thema auskennt, in der ehemaligen DDR aufzuwachsen. Auch Regisseurin Constanze Klaue, die zudem das Drehbuch auf Grundlage des Romans verfasste, kann diesbezüglich auf eigene Erfahrungen zurückgreifen, und setzt dazu Rietzschels Erzählstil auf sehr interessante und spannende Weise um.
Analog formuliert könnte man sich vorstellen, dass der Boden des Schneideraums über und über mit Material bedeckt gewesen sein muss. Denn die Story wird extrem pragmatisch, effektiv und schlaglichtartig präsentiert, es gibt schlicht keine unnötig erscheinenden Szenen, jede Einstellung und jeder Dialog stecken voller zum Teil sogar nur angedeuteter Informationen, Stimmungen und Eindrücke. Manche Details erklären sich dadurch bedingt erst mit ein wenig Verzögerung, so wie man eben in der Kindheit auch nicht alles sofort versteht, was man wahrnimmt.
Die Frage nach den Ursachen von Fremdenfeindlichkeit und Ausländerhass speziell in den neuen Bundesländern ist ziemlich ambitioniert. Klaue macht in ihrem jüngsten Werk allerdings auch nicht den Eindruck, das Phänomen lückenlos und mit wissenschaftlichem Anspruch erklären zu wollen. Eher bietet sie eine plausible Beschreibung eines Gesamtzustandes, die eine Vielzahl von Antworten liefert.
Geradezu erdrückend ist von Anfang an die buchstäbliche Trostlosigkeit, die wie Blei auf dem ganzen Ort zu liegen scheint. Buchstäblich, weil hier schlicht kein Trost vorhanden ist, den man finden könnte. Seit der Wiedervereinigung bedrohen niedrige Löhne oder gar Arbeitslosigkeit viele Familien, sorgen für teils heftige Spannungen nicht nur am abendlichen Esstisch. Der kleine Tobi lernt an der neuen Schule ein tolles Mädchen kennen, das aber nur vorübergehend in seine Klasse geht, bis eine Busverbindung zu ihrem Gymnasium eingerichtet ist – sie stammt aus einer Arztfamilie. Philipp ist schon ein wenig älter, bekommt die Judenwitze seines Busfahrers, die Hakenkreuzschmierereien auf seinem Schulhof, die gereizte, aggressive Art seines Vaters gegenüber der Mutter ungefiltert mit.
Das so beschriebene Umfeld ist im wahrsten Sinne ein gefundenes Fressen für Neonazis, die nur noch die Ernte einzufahren brauchen, indem sie die Augen nach jungen Leuten offen halten, die noch bemitleidenswerter sind als sie selbst, die sich danach sehnen, respektiert oder auch nur wahrgenommen zu werden. Hin und wieder gar noch ein freundliches Wort, und schon schnappt die Falle zu, und man hat willfährige Untergebene und Handlanger, die bedingungslos einfach nur irgendwo dazugehören wollen.
In „Mit der Faust in die Welt schlagen“ wird nach Kräften versucht, keine bloßen Klischees oder Überspitzungen aneinanderzureihen, und meistens gelingt dies auch. Sächsischer Akzent ist, selbst nur angedeutet, erstaunlich wenig zu hören, und der Mikrokosmos im Dorf wird vielschichtig genug abgebildet, um einen differenzierten Eindruck zu hinterlassen. Mit Bildung, Weltoffenheit und Wohlstand könnte die Kette des sich selbst immer weiter tragenden Nationalismus und der Gewalt möglicherweise zerschlagen werden, die sich aus Misstrauen, Enttäuschung, Frust und Suche nach Verantwortlichen speist. Fehlt hierzu jedoch der Wille seitens der politischen Entscheidungsträger, kann man nicht nur in Ostdeutschland, sondern vielen anderen Regionen und Ländern der Welt momentan die Auswirkungen dessen besichtigen. Das alles ist so klug erzählt und stark gespielt, dass einem verständigen Publikum einleuchtet, wie menschliche Sollbruchstellen aus Angst, Enttäuschung, Verletzlichkeit & Co es Rechtsextremen viel zu einfach machen.
]]>Keine Pflegerin hält es auf dem englischen Anwesen des superreichen, aber schwer kranken alten Charles Richmond lange aus. Entweder werden sie gefeuert, oder sie kündigen selbst wegen der widerwärtigen, menschenverachtenden Art ihres Patienten. Richmonds Neffe Tony startet einen weiteren Versuch mit der italienischen Krankenschwester Maria, die sich weder von Geld noch von harten Worten beeindrucken lässt und ihre Frau steht.
Insgeheim ist Tony erfüllt von wütenden Gedanken an Rache, da Onkel Charles aus seiner Sicht zunächst Tonys Vater in den Tod getrieben und dann dessen Frau, seine inzwischen ebenfalls verstorbene Mutter geheiratet hatte. So eröffnet er Maria seinen Plan: mit seiner Hilfe soll sie Charles dazu bringen, sie zu heiraten, so dass er sein Testament zu ihren Gunsten ändert und die beiden jungen Leute nach seinem bald zu erwartenden Ableben die Erbschaft teilen. Widerwillig lässt Maria sich auf das Vorhaben ein...
„Die Strohpuppe“ von Regisseur Basil Dearden ist ein derart klassischer, schwerer Schinken, dass man sich beinahe wundert, ihn in Farbe gedreht vorzufinden, obwohl er „erst“ aus dem Jahr 1964 stammt. Denn der Film verfügt sowohl im bestmöglichen als auch im etwas weniger guten Sinne über viele typische Elemente aus grauer Vorzeit, die sofort die Aufmerksamkeit des Publikums an sich reißen.
Da wäre zunächst der Vorspann mit bombastisch-orchestraler Musik, der auf zugegeben zu diesem Zeitpunkt noch kryptische Weise ein ganz entscheidendes Element des Finales vorwegnimmt, gefolgt von einer ruhigen und gemächlichen Einleitung auf einem prunkvollen englischen Anwesen, wo die Bühne für die folgende Geschichte und ihre Hauptpersonen bereitet wird. Hier gibt man sich große Mühe, die Zielgruppe erzählerisch möglichst gefällig abzuholen und ihr das Zurechtfinden in der noch unbekannten Welt zu erleichtern.
Auch die steifen Kameraeinstellungen ohne jegliche Dynamik und mit lediglich wenigen Gegenschnitten zum Beispiel im Rahmen von Dialogen sind Kinder ihrer Zeit, und beweisen, dass man nicht zwingend eine wackelige, hektische Handkamera braucht, um eine fesselnde Story erzählen zu können. Bitter sind andererseits die gezeigten gesellschaftlichen Wertvorstellungen, die zwar wohl dem damaligen von offener Misogynie und Xenophobie geprägten Zeitgeist entsprachen, doch aus heutiger Sicht dadurch nicht unbedingt leichter zu ertragen sind.
Sean Connery jedenfalls, ein damals allgemein als attraktiv geltender Mann, hat in seiner Rolle als Tony ähnlich wie auch in der als James Bond keinerlei Probleme, den Widerstand der nicht minder attraktiven Gina Lollobrigida mit einer Mischung aus Charme und Übergriffigkeit zu brechen. Ähnlich wie im gleichen Jahr in Hitchcocks „Marnie“, spielt Connery auch hier einen unsympathischen Menschen, der die fatale Botschaft aussendet, Mann müsse Frauen nur mit ausreichend Nachdruck davon überzeugen, dass sie eigentlich „ja“ sagen möchten.
Kommt man mit sich selbst überein, dass solche Szenen aus aktueller Perspektive auch kritisch bis anklagend verstanden werden dürfen, ähnlich wie die vom Umgang Richmonds mit seinen schwarzen Dienstboten, der von Maria jedes Mal umgehend mit heftiger Kritik eingeordnet wird, ist eine Versöhnung mit dem gezeigten Stoff jedoch möglich. Dann kann man darüber staunen, wie der Plot sich von einer etwas abgeschmackten Liebesdreiecksgeschichte im letzten Drittel noch zum waschechten Krimi wandelt.
„Die Strohpuppe“ zeigt als Hauptfiguren nur Charaktere mit ehrlosem Verhalten, wenn auch gewisse Abstufungen hinsichtlich der Antipathien möglich sind, und man manche ihrer Vorhaben zumindest nachvollziehen kann. Sieht man davon ab, dass gewisse Verhaltensweisen aus heutiger Sicht antiquiert, zum Glück überwunden und deswegen aber auch relativ merkwürdig wirken, ist die Geschichte doch unterhaltsam und spannend, gut gespielt, und kommt zu einem in Anbetracht der Umstände befriedigenden Ende.
]]>Als Kinder stöbern die Zwillinge Bill und Hal in den Hinterlassenschaften ihres verschwundenen Vaters und stoßen dabei auf einen Spielzeugaffen mit einer Trommel vor dem Oberkörper und Stöcken in den Vorderpfoten. Auf äußerst unangenehme Weise lernen die beiden Jungen, dass Menschen qualvoll sterben, wann immer jemand den Affen aufzieht und damit zum Trommeln bringt.
Nachdem einige Menschen, darunter gleich mehrere aus ihrem engsten Umfeld, auf diese Weise dran glauben mussten, beschließen Bill und Hal, den Affen so zu verstecken, dass niemand ihn je wieder findet. Doch viele Jahre später muss Hal erkennen, dass sich um ihn herum erneut höchst unnatürliche Todesfälle ereignen...
„The Monkey“ ist eine Horror-Kurzgeschichte von Stephen King, die Regisseur und Autor Oz Perkins zu einer Gruselkomödie verarbeitete. Ob der ikonische Autor, der sich diesbezüglich oft sehr kritisch zeigt, mit der Adaption zufrieden sein wird? Eigentlich schwer vorstellbar, denn das Resultat auf der Leinwand ist nicht wirklich zum Fürchten, und kaum einmal zum Lachen.
Zugegeben, die Umstände, unter denen zahlreiche Menschen ihr Leben verlieren, sind in ihrer Kreativität geradezu aberwitzig, qualifizieren sich allerdings eher für eine x-te Fortsetzung von „Final Destination“, eine Reihe, die sich nach ihrem Thriller-Beginn mit jeder weiteren Ausgabe zur noch übertriebeneren Splatter-Parade steigerte. Wenn da so das Blut meterweit und literweise in alle Richtungen spritzt, und man sich vor umherfliegenden ganzen Körperteilen ducken muss, kann man hierüber zwar beim ersten Mal noch ungläubig keckern. Von dort aus die spitze Kurve hin zu einem wohligen Ganzkörperfrösteln zu kriegen, wird jedoch selbst bei angeter Geschwindigkeit ganz schön heikel.
Die Romane und Kurzgeschichten von King sind deswegen weltweit so erfolgreich, weil er uns mit ihnen wie niemand sonst das Fürchten lehrt, und dennoch alle Monster oder sonstige übernatürliche Wesen in ihrer Grausamkeit verblassen vor seiner Beschreibung der bösartigen menschlichen Natur. Perkins mag diesem Erfolgsrezept nicht wirklich folgen, platziert die Wurzel allen Übels lieber in einem verfluchten Spielzeug, wobei auch einige tiefgründigere Inhalte darauf warten, von uns gefunden zu werden.
Die Darstellung eines Predigers in der Kirche kann man durchaus als Kritik an der dahinter stehenden Institution verstehen. Als wiederkehrendes Element geht es recht redundant auch immer wieder um die problematische Beziehung zwischen Vätern und ihren Söhnen. Ob zurecht oder nicht, fühlt sich der Nachwuchs von seinem Erzeuger im Stich gelassen, was weitreichende Folgen auf Persönlichkeit und Seelenleben haben kann. Wenig kann ein Kind noch mehr verletzen, als das Gefühl, von den eigenen Eltern abgelehnt zu werden. Anstatt aber in dieser Hinsicht etwas weiter in die Tiefe zu gehen, präsentiert man uns nur wiederholt die gleiche, oberflächliche Situation.
Immerhin bleibt „The Monkey“ sich selbst und seinem Stil bis zum Ende treu. Mit rund 90 Minuten beweist man auch Gespür für die richtige Länge, und wenn man leicht zu erheitern ist oder im Freundeskreis beim gemeinsamen Anschauen die richtige Stimmung aufkommt, kann man sich wahrscheinlich sogar halbwegs amüsieren. Fans von Stephen King werden hier hingegen nicht auf ihre Kosten kommen,
]]>Mit seiner neuen Miniserie "Adolescence" packt Netflix ein heißes Eisen an. Die Drehbuchautoren Jack Thorne und Stephen Graham erzählen die Geschichte eines Mordes unter Jugendlichen, die gerade einmal 13 Jahre alt sind und damit nach deutschem Recht eben erst strafmündig wären. Besonders unrealistisch ist dies – leider – nicht, auch wenn es schmerzt, von einem solch besonders tragischen Fall zu hören.
Früh am Morgen bricht eine schwer bewaffnete und gepanzerte SWAT-Einheit die Haustür der Familie Miller auf. Die Polizisten verhaften Jamie, den 13jährigen Sohn von Eddie und Manda und kleinen Bruder von Lisa, und nehmen ihn mit aufs Revier. Es steht Mordverdacht an einer seiner Mitschülerinnen im Raum, und auch wenn Jamie immer wieder beteuert, unschuldig zu sein, steht der ganzen Familie eine extrem harte Zeit bevor. Die Beweislage scheint erdrückend schwer, doch wie und warum sollte der Junge das arme Mädchen auf brutale Art und Weise umgebracht haben?
Es sind vor allem die Hintergründe für eine solche Tat, denen man in dieser (wohlgemerkt fiktiven) Story auf den Grund zu gehen versucht. In den vier rund einstündigen Folgen werden verschiedene Schwerpunkte gesetzt und Perspektiven eingenommen, wie zum Beispiel die der ermittelnden Polizisten, Mitschüler*innen und Lehrer*innen, sowie einer psychologischen Gutachterin. Der letzte Blick richtet sich auf Jamies Familie, die stellvertretend für ihren Jungen zur Zielscheibe von durch Trauer und Fassungslosigkeit hervorgerufenen Aggressionen wird. Deutlich zu kurz, und das ist bereits mein einziger größerer Kritikpunkt an der Produktion, kommt die Sichtweise der Familie des Opfers. Die getötete Katie selbst wird sich nie wieder äußern können, doch auch das Leid ihrer hinterbliebenen Eltern und weiteren Familienangehörigen und Freunde bekommt nur in Episode 2 ein wenig Raum. Immerhin wird damit nicht unverhältnismäßig auf die Tränendrüse gedrückt, sondern auf vergleichsweise sachliche Art erzählt, die dramatisch genug ist.
Tragödien wie diese machen Fragen nach dem "warum" unvermeidlich, auch wenn die Tat als solche damit nicht rückgängig gemacht werden kann. Die Serie gibt hierauf insofern keine eindeutigen Antworten, als sie nicht einer konkreten Person die Schuld gibt. Dass Jamie in seinem Vater kein gutes Vorbild für positive männliche Emotionalität hatte, sich selbst als hässlich und untalentiert empfand, in der Schule gemobbt wurde und sich schon länger vergeblich eine Freundin wünschte, wird als einige der vielschichtigen Ursachen, niemals aber auch nur andeutungsweise als Rechtfertigung genannt. Die Schlagworte "Incel" und "Manosphere" spielten gewiss schon bei der Konzeption der Show eine große Rolle, doch auch deren Ursachen gilt es auf den Grund zu gehen, denn diese Phänomene entstanden nicht einfach so aus dem Nichts.
Einige ganz große schauspielerische Leistungen sind zu bewundern, und das sowohl von etablierten Darstellern wie Autor Stephen Graham, der die Rolle des Vaters Eddie selbst übernahm, als auch von absoluten Newcomern wie Owen Cooper, der als sehr ambivalenter 13jähriger Jamie brilliert. Seine Figur befindet sich an der Schwelle vom Kind zum Jugendlichen, wirkt mal traurig und verängstigt, und als gehöre er mit einer Schale Cornflakes vor den Fernseher, um Cartoons zu schauen. Dann scheint er voller Schmerz und Wut auf die ganze Welt zu sein, als habe er schon ein langes Leben voller Enttäuschungen und Verletzungen hinter sich.
Auch technisch ist die Produktion sehr eindrucksvoll geraten: alle vier Episoden wurden jeweils als One-Shot gefilmt, also ohne Pause oder jegliche Schnitte gespielt und gedreht. Episode 1 gelang schon im zweiten Versuch, wie aus einer Doku bei YouTube hervorgeht. Dies erfordert eine Menge an Vorbereitungen und Proben, sowie eine gewisse Toleranz gegenüber kleineren Fehlern und Spontaneität, wirkt dann aber unglaublich eindringlich und baut eine Menge Atmosphäre auf.
"Adolescence" spaltet das Publikum dergestalt, dass die Sendung vor allen Dingen in Extremen bewertet wird. Die meisten negativen Kritiken jedoch, das fällt schon bald auf, stützen sich darauf, es müsse doch mit dem "ewigen Hass auf Männer" auch bald mal gut sein, und irgendwie seien die Frauen ja doch auch ein bisschen selbst dafür verantwortlich, wenn ihnen mal Gewalt angetan wird. Es schüttelt einen gehörig bei solchen "Argumenten" wie: "Nicht, dass Kate es verdient gehabt hätte, ermordet zu werden, aber...". Letztendlich zeigen solche Reaktionen, dass Thorne und Graham mit ihrem Projekt absolut einen Nerv getroffen haben, und die durch diese Kontroverse erzeugte große Aufmerksamkeit für das Thema sehr zu begrüßen ist.
]]>In einer nicht allzu fernen Zukunft sind die USA nach einem Bürgerkrieg zerfallen. Der neu gegründete Gottesstaat Gilead orientiert sich an den Vorschriften des Alten Testaments, und benutzt die wenigen noch zeugungsfähigen Frauen gegen ihren Willen als Gebärmaschinen, um den Fortbestand der Bevölkerung zu sichern.
Als die ehemalige Bibliothekarin Kate versucht, mit ihrer Familie aus dem Land zu fliehen, wird ihr Ehemann an der Grenze erschossen. Während man sie selbst gefangen nimmt, ruft sie ihrer kleinen Tochter zu, wegzulaufen und sich zu retten. Kate wird in ein Umerziehungslager gebracht, wo man sie zur demütigen Dienerin für die Oberschicht ausbilden will. Sie wird einem ranghohen Offizier des Militärs und seiner Frau zugeteilt, und soll dafür sorgen, dass die Familie endlich ein Kind bekommt...
Seit 2017 wird Margaret Atwoods Roman „Der Report der Magd“ („The Handmaid's Tale“) sehr erfolgreich als Serie adaptiert. Bereits 1990 erschien eine amerikanische Verfilmung des Stoffs von Regisseur Volker Schlöndorff, in der ähnlich wie später in der ersten Staffel der Serie die Handlung des Buches abgebildet wird. Ohne dies beschwören zu können, führten womöglich die Entwicklungen in den USA seit der Wiederwahl von Trump zu artes Entscheidung, den Film vorübergehend in seiner Mediathek anzubieten.
Die im doppelten Wortsinn unverschämte, wachsende Diskriminierung von Menschen aus dem LGBTQ-Spektrum, Deportation unerwünschter Ausländer gegen anderslautende Gerichtsentscheidungen, schrittweise Abschaffung von Frauenrechten wie dem Recht auf Abtreibung, und ein für konservative Kräfte nicht unüblicher Wunsch nach einer Verknüpfung von Staat und Religion lassen durchaus Gedanken an die realen USA als Vorstufe des fiktiven Gilead aufkommen. Und der neue, alte Präsident ist gerade einmal erst rund zwei Monate im Amt.
Vor allem der erste Akt wird sehr kompakt und dicht erzählt. Das Militärregime kann noch nicht allzu lange an der Macht sein, und doch ist das Land, von dem wir nach Kates Ergreifung Eindrücke durch deren Augen sammeln dürfen, nicht wiederzuerkennen. Schlöndorff wird kaum eine andere Wahl geblieben sein, als ein Maximum an Informationen und Atmosphäre in ein Minimum an Bildern zu pressen – hatte er doch keine zehn Serienfolgen, sondern nur gerade einmal 108 Minuten Zeit, um die elaborierte Story zwischen den Buchdeckeln von der Kamera einfangen zu lassen.
So bleiben unsere Eindrücke fesselnd und schockierend, aber doch leider recht oberflächlich. Wie die Welt außerhalb der Umerziehungslager und der luxuriösen Wohnviertel der Oberschicht aussieht, wird allenfalls in Dialogen dezent angedeutet. Man hetzt uns durch eine Menge von Schauplätzen, die durchaus spektakulär und interessant wirken, erzählt uns aber wenig bis nichts über die obersten Anführer des faschistisch-fundamentalistischen Regimes, die Ursprünge und Strukturen des Widerstandes oder Gileads Wahrnehmung in der restlichen Welt. Auch schreit das Ende im Grunde nach einer Fortsetzung, die es nie gab.
Regisseur Schlöndorff selbst äußert sich im Nachhinein ausgesprochen distanziert zu seiner Arbeit, und gibt freimütig zu, das Thema habe ihm nicht gut gelegen – er habe den Auftrag in erster Linie für den Gehaltsscheck angenommen. Ganz so streng braucht er mit sich selbst gar nicht zu sein, denn „Die Geschichte der Dienerin“ punktet immerhin mit ganz ordentlicher schauspielerischer Leistung und reichlich dystopischer Stimmung. Und sie profitiert zudem gerade aktuell von dem beklemmenden Gefühl, dass selbst eine noch so hoffnungslos überspitzte Zukunftsvision von der Wirklichkeit eines Tages sogar noch überholt werden kann.
]]>Der alternde Regisseur Gregor Samsa ist mittlerweile zur Karikatur des Abziehbildes eines großen Filmschaffenden geworden. Seine gesamte Branche widert ihn an, er hat keine Visionen mehr, und die Fixpunkte seines Alltags bestehen inzwischen aus Bordellbesuchen und starken Schlaftabletten.
Mit den Hauptdarstellern seines jüngsten selbst geschriebenen Films gerät er schon vor Drehbeginn aneinander, ist launisch, aggressiv und unberechenbar. Einziger Lichtblick ist für ihn aktuell die Edelprostituierte Grete, die ihm für wenige Stunden eine teure Illusion von Glück schenkt...
2017 schrieb Regisseur und Autor Oskar Roehler zunächst den autobiografisch eingefärbten Roman „Selbstverfickung“, auf dessen Basis das Drehbuch zu seinem jüngsten Film „Bad Director“ entstand. Und in beiden Fällen ist der Name mehr oder weniger Programm. Um sprachlich ungefähr auf dem Niveau der Produktion zu bleiben, kotzt Roehler sich mittels seines Alter Ego, gespielt von Oliver Masucci, ausgiebigst über sich selbst und sein komplettes Business aus.
Ob Schauspieler, Produzent, Regieassistenz, Bühnen- und Maskenbildner oder vor allen Dingen eben der titelgebende Regisseur selbst, zeichnet sich das Bild einer verlogenen und oberflächlichen Gesellschaft, in der alle längst ihren künstlerischen Anspruch verloren haben, so sie denn mal einen hatten. Während man sich allgemein stillschweigend über derartige Rahmenbedingungen einig zu sein scheint, sieht Samsa sich selbst als etwas Besseres, und versucht sich über die Kolleginnen und Kollegen zu erheben, indem er zum Beispiel im Rahmen eines Empfangs eine attraktive Kellnerin als Opfer wählt, um vor ihr über die anderen Anwesenden zu lästern und sich als der Einzige mit ebenso analytischem wie entlarvendem Durchblick darzustellen.
Alles in allem gibt Samsa einen mehr als erbärmlichen Eindruck ab. Opportunistisch bis ins Mark macht er sich jeden Menschen mal zum Freund, mal zum Feind, so wie es ihm beruflich oder zur Bestätigung seiner fragilen Persönlichkeit gerade recht kommt. Er wirft mit derbsten Schimpfworten um sich, kokettiert immer wieder damit, alles hinzuschmeißen, obwohl er bei aller Abneigung gegen seinen Job das Abrutschen in die Bedeutungslosigkeit fürchtet. Und das Ganze ist nicht etwa lustig, sondern vor allen Dingen reichlich unangenehm zu beobachten, zumal Masucci, ohne Zweifel ein großer, begabter Schauspieler mit bereits einigen niveau- und anspruchsvollen Rollen, in diesem Film selbst Nicolas Cage zeigt, was „Overacting“ bedeutet.
Szene-Insider erklären mit wissendem Blick, es sei ziemlich eindeutig, welche Personen aus dem wahren Leben für die Charaktere im Film (vermutlich unfreiwillig) Pate standen. Einerseits mag man verzweifelt hoffen, dass sich solche Figuren wie die hier gezeigten nicht an deutschen Drehorten herumtreiben und einander mit ihrer egozentrischen Art das Leben versauen. Sollte es aber doch so sein, stellt sich die Frage, wie man die Arbeit von Roehler bewerten soll.
Mit „Bad Director“ nimmt er eine Funktion irgendwo zwischen Nestbeschmutzer und Vorsitzendem des Jüngsten Gerichts ein, zu dem ihn wohl niemand außer ihm selbst ernannt haben wird. Dass er dabei eine Abrechnung vor allem auch mit sich selbst vornimmt, wobei kein Außenstehender das Ausmaß der autobiografischen Anteile der Story kennen wird, macht das Projekt noch schwieriger zu bewerten. Sich als die einzige Person abzubilden, die alles durchschaut und besser weiß, aber dennoch ebenso wenig wie die anderen rechtzeitig den Absprung schafft, wirkt jedenfalls nicht wie etwas, worauf man stolz sein kann oder will.
]]>Auf die Nachricht seiner Tochter Jenni über deren Verlobung reagiert Vater Jim mit gemischten Gefühlen. Die beiden haben ein außerordentlich enges Verhältnis, und während er einerseits alles für sie tun würde, hat er auch große Angst, sie eines Tages zu verlieren. Dennoch reserviert er nach einem ersten Schock sehr gern die hübsche Pension auf Palmetto Island, wo auch er und Jennis Mutter damals geheiratet hatten.
Durch einen unglücklichen Zufall jedoch wird das Hotel irrtümlich für noch eine weitere Hochzeitsfeier am gleichen Wochenende gebucht. Der Fehler fällt erst auf, als neben Jenni, ihrem Verlobten Oliver und deren Gästen auch noch Margot an der Rezeption erscheint, um für ihre Schwester Neve, deren Verlobten Dixon und ihre große, wohlhabende, aber auch irgendwie dysfunktionale Familie einzuchecken. Nachdem Margot und Jim zunächst erbitterte Rivalen in ihrem Gegenüber sehen, versucht man sich vernünftig und gütlich zu einigen. Doch der Frieden hält nicht allzu lange...
In „Ihr seid herzlich eingeladen“ von Regisseur Nicholas Stoller dreht sich sehr viel um Familienbande, und vergleichsweise wenig um romantische Liebe. So sind die Hauptfiguren der Geschichte auch nicht etwa die beiden Brautpaare, sondern der Vater der einen und die große Schwester der anderen Braut, die aus nicht zuletzt selbstbezogenen Gründen hoch motiviert sind, dafür zu sorgen, dass die Trauung einfach perfekt wird. Zu schade, dass sie einander mit dieser Zielsetzung so sehr im Weg stehen, und sich schließlich zu Maßnahmen genötigt sehen, die sie sich selbst nicht zugetraut hätten.
Die Beziehung der Charaktere von Will Ferrell und Geraldine Viswanathan als Vater und Tochter ist von der ersten Szene an hoffnungslos überdreht, und deren Beobachtung teilweise eher besorgniserregend als lustig. Ferrell und Reese Witherspoon alias Margot zoffen sich ganz ordentlich und amüsant, aber auch hier wirken sich zu starke Übertreibungen nicht unbedingt positiv auf den Humor aus. Immerhin halten sich die Ekel-Gags, die man in solchen Filmen sonst zuhauf vorfindet, ziemlich in Grenzen.
Eins muss man Autor und Regisseur Stoller lassen: die zugrunde liegende Thematik ist seriös und für den Bereich der Comedy recht unverbraucht, ja beinahe geradezu anspruchsvoll. Komplizierte Konstellationen im Verwandtschaftsgefüge und die darunter versteckten höchst persönlichen menschlichen Befindlichkeiten werden plausibel und anschaulich dekonstruiert. Wirklich zu lachen gibt es hingegen für eine Komödie leider eindeutig zu wenig. Da taugt auch nicht als Ersatz, wenn man eine Reihe möglichst nerviger und unsinnig agierender Figuren ins Getümmel wirft, deren zeitweilige Präsenz ähnlich wenig Berechtigung hat, wie sich mit dem Hammer bewusst auf den Daumen zu hauen, nur weil das anschließende Gefühl des langsam nachlassenden Schmerzes so schön ist. Reese Witherspoon hingegen sieht man gerne bei der Arbeit zu, weil sie sich offensichtlich sehr intensiv und mit der gebotenen Ernsthaftigkeit in ihre Rolle eingearbeitet hat, weswegen ihre komischen Momente sich nicht nur aus reiner Absurdität, sondern eher aus ihrem Scheitern trotz aufrichtigen Bemühens speisen.
Da die letzten rund 11 der insgesamt 111 Minuten Laufzeit für Credits und Outtakes draufgehen, ist „Ihr seid herzlich eingeladen“ gar nicht mal so viel länger, als die für Komödien zumeist üblichen eineinhalb Stunden. Wenn man dennoch währenddessen mehrfach den Impuls verspürt, auf die Uhr zu schauen, ist das ein ziemlich vielsagendes Anzeichen dafür, dass eine an sich ganz schöne Idee das Potential zu noch viel mehr gehabt hätte.
]]>Beruflich bedingt muss der frisch verheiratete Jonathan Harker aus Wismar seine bezaubernde Frau Lucy gleich wieder verlassen: sein Chef Renfield schickt ihn auf die weite Reise nach Transsylvanien, wo ein gewisser Graf Dracula beabsichtigt, ein Haus in Wismar zu kaufen. Von den erschrockenen bis panischen Reaktionen aller Menschen, die unterwegs von Jonathans Reiseziel erfahren, lässt dieser sich nicht aufhalten.
Der Graf, der in einem verfallenen abgelegenen Schloss lebt, gibt Jonathan mit seinem Verhalten und seinen Äußerungen Rätsel auf. Und im Laufe seines Aufenthalts mehren sich die Anzeichen dafür, die Angst der Leute vor Dracula könnte begründet sein...
Der Stummfilm „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ aus dem Jahr 1922 war der erste aus einer heute endlos scheinenden Reihe von Vampirfilmen. Er wird als so groß und bedeutend für das Genre angesehen, dass es mittlerweile sogar schon zwei waschechte Remakes davon gibt, auch wenn Regisseur und Autor Werner Herzog sein „Nosferatu – Phantom der Nacht“ aus dem Jahr 1979 eher als liebevolle, ehrerbietige Hommage verstanden wissen möchte.
Die Unterschiede beider Fassungen liegen auf der Hand. „Phantom der Nacht“ ist im Gegensatz zu seiner Vorlage ein Ton- und Farbfilm mit hochkarätigen zeitgenössischen Schauspielern aus seinem Erscheinungsjahr. Hatte Murnau 1922 noch versäumt, die Rechte für die Buchvorlage von Bram Stokers „Dracula“ zu erwerben, und musste deswegen sämtliche Personen umbenennen, konnte Herzog bedenkenlos von Jonathan, Mina, Lucy, van Helsing und eben Dracula sprechen.
Davon abgesehen überwiegen die Ähnlichkeiten bis hin zu völligen Übereinstimmungen. Handlungsverlauf, Kameraeinstellungen, Kostüm und Maske des untoten Grafen und vieles mehr wirken wie ein Echo des Originals, das es geschafft hatte, beinahe 6 Jahrzehnte bis in die späten 1970er Jahre nachzuhallen. Herzog scheint damit sagen zu wollen, er habe gesehen und verstanden, was sein Vorbild Murnau damals gemacht hat, und zudem erfolgreich bewiesen, dass er dazu imstande sei, es zu imitieren.
Damit soll jedoch nicht gesagt werden, das Remake sei ganz und gar überflüssig. Der Geist der Vorlage wird tatsächlich ziemlich gut eingefangen und auf den technischen Stand einer neuen Generation katapultiert. Ein Ensemble bestehend aus Kinski, Ganz, Adjani, Ladengast & Co lässt selbst 46 Jahre später noch aufhorchen und macht zurecht neugierig. Und zumindest mit dem abweichenden Ende setzt Herzog auch inhaltlich wenigstens einen ganz eigenen Akzent. Dreizehn Jahre später war es Coppola, der sich mit seiner eigenen Verfilmung rein auf die literarische Vorlage von Stoker bezog, und dabei optisch und stilistisch deutlich andere Ergebnisse erzielte. Allein durch London als Schauplatz fühlte sich alles viel „viktorianischer“ an.
„Nosferatu – Phantom der Nacht“ ist ein gut gemeintes und gut gemachtes Kompliment an die „Symphonie des Grauens“, ein Ausdruck der Anerkennung und Bewunderung und zugleich irgendwie auch ein eigenständiges Werk. Das zeitgemäße Element an so einer Neuauflage ist ein Vorteil, dem es jedoch an Beständigkeit mangelt: schon weitere 45 Jahre später sah sich Robert Eggers genötigt, wiederum ein neues Remake zu liefern, und hatte damit nicht unrecht. Kunst sollte mehr sein, als ein bestehendes Bild mit ganz frisch angemischten Farben abzumalen. Der Kinski-Nosferatu tut mehr als das – ein bisschen mehr. Schön ist das neue Bild dessen ungeachtet trotzdem.
]]>Als junge Frau wurde Schauspielerin Robin Wright berühmt und begehrt durch ihre Beteiligung an Filmen wie „Die Braut des Prinzen“, „Im Vorhof der Hölle“ und „Forrest Gump“. Mit 44 Jahren lebt sie, unzählige schlechte Entscheidungen später, mit ihren beiden Kindern in einem umgebauten Hangar am Rand eines Flughafengeländes, und ihr Ruhm ist verblasst
Robins Agent Al erzählt ihr von einem „letzten Angebot“, das er mit der Produktionsfirma „Miramount“ aushandeln konnte: als eine der ersten Schauspielerinnen der Welt soll sie sich vollständig, mit ihrem ganzen Körper und allen Emotionen scannen lassen, um eine künstliche, jederzeit und für jede Rolle verfügbare Robin zu erschaffen. Sie selbst muss zudem versprechen, sich ab sofort für immer aus ihrem Beruf zurückzuziehen. Doch damit ist die Revolution in der Filmbranche noch lange nicht abgeschlossen...
„Der Kongress“ ist weder der erste noch der einzige Film, in dem in der Hauptrolle eine berühmte Persönlichkeit vermeintlich als sie selbst auftritt. Ein solches Projekt erfordert immer auch ein wenig Mut der beteiligten Personen, bezieht aber zugleich auch seinen Reiz mit aus der nicht immer absolut eindeutigen Grenze zwischen Kunst und Realität. Auf diese Weise entstehen tolle und vielfältige Möglichkeiten, ein scheinbares Abbild der Wirklichkeit nach Belieben zu verändern, und damit das Gezeigte nicht nur zu beschreiben, sondern häufig auch zu kritisieren.
In diesem Fall bekommen in einem ordentlichen Rundumschlag alle Mitglieder der Branche ihr Fett weg. Ängstliche, unsichere Schauspieler*innen, die mit ihrer zögerlichen Rollenauswahl nicht nur ihre eigene Karriere versauen, sondern auch die Produzenten mit einem Rückzieher in letzter Sekunde Millionen kosten können. Agenten, die ihren Stars versuchen weiszumachen, sie würden sie lieben und verehren wie enge Familienangehörige, und dies manchmal vielleicht sogar selbst glauben, wenn sie nicht gerade wieder einmal außerordentlich manipulativ unterwegs sind – natürlich immer nur mit den besten Absichten für ihren Schützling.
Die Produzenten schließlich sind knallharte Geschäftsleute, für die Kunst nur ein Abfallprodukt ihres Business ist, und für die ein Traum in Erfüllung ginge, wenn der lästige und unberechenbare Faktor „Mensch“ aus ihrer Arbeit verschwinden könnte. Tatsächlich wird dieser Teil der aufgeworfenen Thematik 12 Jahre nach Veröffentlichung des Films gerade immer aktueller. So konnten die Autor*innen Hollywoods bei ihrem jüngsten Streik als eine Teilforderung durchsetzen, dass auf künstliche Intelligenz als Ersatz für menschliche Arbeitsleistung weitgehend verzichtet werden soll, um keine Arbeitsplätze zu gefährden.
Für alle, die noch nicht wissen sollten, in welche unerwartete, quietschbunte und zugleich doch auch sehr dystopische Richtung die Story sich danach noch entwickelt, welche extremen Entwicklungen sich nicht nur für die Filmindustrie, sondern für den Identitätsbegriff und die gesamte menschliche Gesellschaft ergeben, möchte ich an dieser Stelle gar nichts weiter verraten. Nur so viel: es ist ein wilder Ritt, ein optisches Feuerwerk an Kreativität und Einfallsreichtum, klare inhaltliche Einordnung inklusive.
Wer den Film dafür kritisiert, er sei eine viel zu lose Adaption von „Der futurologische Kongreß“ von Stanislaw Lem, hat gerade deswegen eventuell weder das Werk von Regisseur Ari Folman, noch die erwähnte literarische Inspiration richtig verstanden, worüber sich jedoch gewiss trefflich streiten lässt. Eher noch könnte ich Vorwürfe unterschreiben, die Vielfalt an Ereignissen und Ideen führe eventuell zum Eindruck einer gewissen zusammenhanglosen Beliebigkeit. Dennoch empfinde ich „Der Kongress“ viel eher als sehr belebende, wenn auch darin bestimmt herausfordernde Sammlung moralisch-philosophischer Denkanstöße, die sich weit über den Schauspielberuf hinaus mit Identität, Realitätsflucht, der Bedeutung von Familie und allgemeinem Menschsein auseinandersetzen.
]]>Der Senior Carl Kollhoff führt ein Leben als Einzelgänger. Täglich schlendert er durch sein malerisches Dörfchen und liefert liebevoll verpackte Bücher an seine Stammkunden. Dabei weiß er stets genau, welche Bücher die Menschen sich wünschen. Die Kundinnen und Kunden sind seine einzigen Sozialkontakte, dennoch übertritt er niemals ihre Türschwelle und beschränkt den Austausch auf das Nötigste.
Schascha ist gerade mit ihrem Vater hergezogen, um gemeinsam einen Neuanfang zu versuchen. In der neuen Schule findet sie keinen rechten Anschluss, aber ein alter Mann, der täglich kreuz und quer durch den Ort wandert, hat es ihr angetan. Sie beschließt, ihn nach der Schule regelmäßig zu begleiten, was zunächst nicht auf Gegenliebe stößt. Doch nach und nach schafft sie es, Carl aus seiner selbst gewählten Isolation herauszuholen – mit nicht ausschließlich positiven Folgen...
Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Carsten Sebastian Henn aus dem Jahr 2020 drehte Regisseur und Kameramann Ngo The Chau „Der Buchspazierer“ im Ahrtal und an einigen weiteren pittoresken Orten in Nordrhein-Westfalen, was sein Projekt schon allein optisch zum Vergnügen macht. Verständlich, dass Chau deswegen gerne so oft wie möglich Einstellungen aus der Vogelperspektive einstreut.
Christoph Maria Herbst ist fraglos ein fähiger Schauspieler, doch konnte oder wollte er seit seinem Durchbruch mit der Titelrolle in „Stromberg“ die für ihn vorgesehene Schublade nicht mehr nachhaltig verlassen. Buchspazierer Carl hat zwar seine Macken und Schrullen, hängt in seinen eingeübten Gewohnheiten fest, ist aber endlich mal kein pedantischer Kotzbrocken, was mindestens so erfreulich wie überraschend ist. Seine junge Spielpartnerin Yuna Bennett hat noch nicht gegen ein bereits festgezurrtes Image anzuspielen, und entsprechend fröhlich, frisch und unbeschwert legt sie ihren Part an, so dass es eine helle Freude ist, ihr zuzuschauen.
Dem zum Trotz tut sich der Film von Anfang an und fast bis in den letzten Akt hinein leider in einer Hinsicht schwer. Das Story-Modell eines älteren, emotional verletzten Menschen in Kombination mit einem aufgeweckten und unbedarften Kind wurde uns nicht zuletzt schon deswegen so häufig präsentiert, weil es besonders gut anzurühren versteht und für das wahre Leben so wünschenswert ist. Doch darf man sich dessen ungeachtet dennoch Mühe geben, die altbewährte Konstellation in sämtlichen Details vernünftig auszuarbeiten. Ronald Zehrfeld kann beispielsweise recht wenig dafür, dass seine Rolle von Schaschas Vater über weite Strecken wenig greif- und nahbar bleibt, und damit in ihrer Wirkung beinahe verpufft. Erst ungefähr ab dem letzten Drittel gewinnt der Charakter deutlich an Kontur, und auch der insgesamt bis hierher recht schnörkelhaft dargebotene Plot zahlt sich endlich voll aus.
Sicherlich fühlt sich die finale Lösung aller Probleme genretypisch wenigstens einen Tick zu bequem an. Wie im Märchen fügen sich alle bisher gezeigten losen Enden optimal zusammen – doch „Der Buchspazierer“ ist irgendwie auch ein modernes Märchen, trotz oder wegen seiner Ansammlung ganz schrecklich normaler Menschen, die alle ihre Bürde tapfer (er)tragen und sich lange Zeit nicht trauen, hilfesuchend auf ihr Umfeld zuzugehen. Grundsympathische Nebendarsteller*innen rund um Maren Kroymann, denen man nur zu gerne geholfen wissen möchte, und die bezaubernden Drehorte lassen uns trotz vorhandenen Verbesserungspotentials die herzerwärmende Tingeltour durch die fiktive hübsche Altstadt genießen, und machen den Film zu einem kurzweiligen und erbaulichen Vergnügen.
]]>Als die typische französische Patchwork-Familie Vassier endlich einmal vollständig an einem Tisch versammelt ist, möchte Papa Jérôme unbedingt gemeinsam ein Gesellschaftsspiel spielen. Außer ihm haben jedoch anscheinend alle etwas Besseres zu tun. Während Jérôme enttäuscht das Spiel wieder wegräumt, erschüttert ein Erdbeben das Haus.
Nachdem alle sich nach draußen retten konnten, stellen sie fest, dass sie sich vor einem ganz anderen, altertümlich anmutenden Gemäuer befinden. Außerdem ist Tochter Clara verschwunden. Die Gruppe macht sich auf den Weg ins nächstgelegene Dorf, um dort festzustellen, dass sie offenbar irgendwie ins Mittelalter geraten sind, und die Dorfbewohner sich extrem misstrauisch zeigen, seitdem sie nachts von Werwölfen heimgesucht werden...
„Die Werwölfe von Düsterwald“ ist ein Spiel aus Frankreich, das mit recht wenig Zubehör funktioniert und in größeren Gruppen von einfallsreichen und fantasievollen Teilnehmenden am meisten Spaß macht. Per zufällig ausgeteilten Kärtchen werden geheime Rollen vergeben, dann heißt es „jeder gegen jeden“. Die Einwohner müssen überleben und die Monster in ihrer Mitte enttarnen, die Werwölfe alle anderen töten. Die Kärtchen, die Vater Vassier an sich selbst, seine Frau, die drei Kinder und seinen dement werdenden Vater zu Beginn des Films ausgeteilt hat, sind Sonderrollen mit Spezialfähigkeiten und werden im Verlauf der Handlung noch von großer Bedeutung sein.
Von der gerade einmal rund 90minütigen Laufzeit wird so wenig wie möglich in der eher langweiligen, normalen Gegenwart verwendet, bevor die mysteriöse Zeitreise ins 15. Jahrhundert sich ereignet. Die Vorstellung der Charaktere und Erläuterung deren Beziehungen zueinander erfolgt eher en ant, was sich sehr angenehm aufs Erzähltempo auswirkt. So wird der französische Netflix-Streifen von Regisseur François Uzan in Windeseile zum Kostümfilm mit Asterix-artigem Humor, in dem Begriffe aus unserer Gegenwart bei den Düsterwaldern erheiternd für Unverständnis sorgen. Vermischt mit einer Prise Slapstick hier und da entsteht unterm Strich eine ausreichend amüsante Mischung, um dranbleiben zu wollen.
Obwohl Jean Reno, der den langsam in die Verwirrung abdriftenden Großvater spielt, aus internationaler Perspektive mit weitem Abstand den prominentesten Namen im Ensemble trägt, reißt seine Figur die Show immer nur situativ und vorübergehend an sich, und lässt ansonsten seinen Kolleginnen und Kollegen den Raum zu glänzen. Wenn er aber in den Vordergrund tritt, ist es jedes Mal ein Vergnügen, auch mal wieder die komödiantische Seite des ansonsten so knallharten Actionstars zu beobachten.
Natürlich denkt man hin und wieder an „Jumanji“ (den aus dem Jahr 1995 mit Robin Williams), in dem ebenfalls eine Familie in ein Brettspiel hineingezogen wird und dort lebensgefährliche Abenteuer überstehen muss. Hier ist das Spiel noch ein wenig immersiver, da die Akteure ohne Atempause in der Fantasiewelt verbleiben, was insgesamt auch gut der Art des Spiels entspricht.
Ähnlich wie bei anderen Spieleverfilmungen (z. B. Cluedo - „Alle Mörder sind schon da“) bedingt die Vorlage einen gewissen einengenden Korridor, der auch die realistischen Erwartungen an den Film beinhaltet. Aus diesen Voraussetzungen machen „Die Werwölfe von Düsterwald“ noch fast alles, was möglich ist: harmlose, humorvolle und richtig nette Unterhaltung, dank der man auch zwischendurch mal zum Kühlschrank gehen kann, ohne dadurch den Anschluss zu verlieren. Auch wenn das Projekt Hingabe und Detailverliebtheit erkennen lässt, macht selbst zu spielen in Abhängigkeit von der Zusammensetzung der Runde vermutlich noch mehr Spaß. Wer aber grundsätzlich viel Freude an solchen Produktionen hat, darf sich in naher Zukunft noch unter anderem auf „Scotland Yard“ oder „Das ver-rückte Labyrinth“ freuen.
]]>Eine zierliche schwarze Katze mit leuchtend gelben Augen streunt auf der Suche nach Nahrung durch den Wald. Ihr Streit mit einem Rudel wilder Hunde um einen Fisch wird unterbrochen von einer nahenden gigantischen Flutwelle, die alles mit sich reißt. Es gelingt zwar Hunden und Katze, wieder trockenen Boden unter die Pfoten zu bekommen, doch steigt das Wasser unübersehbar immer weiter.
Da auch der jüngste Unterschlupf der Katze, ein leerstehendes Haus im Wald, bald vollständig überschwemmt sein wird, bleibt ihr nichts anderes übrig, als ein schwimmendes Transportmittel zu finden und sich auf die Suche nach einem sicheren neuen Lebensraum zu begeben. Dabei trifft sie neben den Hunden noch einige andere Tiere, mit denen es reichlich Abenteuer zu bestehen gilt...
Dass mit Belgien, Lettland und Frankreich gleich drei Nationen an „Flow“ beteiligt sind, merkt man unter anderem auch daran, wie endlos viele Namen von Filmfirmen und Filmförderungsgesellschaften zu Beginn eingeblendet werden, bevor wir endlich die erste von vielen durchgängig wunderschön gezeichneten Einstellungen zu sehen bekommen. Gut, das Animationsteam um Regisseur und Co-Autor Gints Zilbalodis scheint in seiner Kindheit ohne Ausnahme in einen großen Topf mit Weichzeichner gefallen zu sein, und gelegentlich wirken die Bewegungen der Tiere minimal eckig. In beiden Fällen wird es sich hier aber um ganz bewusste stilistische Entscheidungen gehandelt haben, denn dafür sieht es ansonsten einfach viel zu gut aus, was uns über 88 Minuten präsentiert wird.
Wenn ich mich nicht selbst mit aller Gewalt beherrsche, könnte ich allein schon mehrere Absätze darüber verfassen, wie unglaublich schön und realistisch das Wasser in all seinen denkbaren Formen herüberkommt. Sei es eine Pfütze, ein Rinnsal oder auch ein reißender Fluss. Auch Spritzer oder Wellenbewegungen sind die reinste optische Offenbarung. Doch ist das Wasser nur eine der vielen Komponenten der Begründung dafür, selbst in diesem Wald sein zu wollen, sobald man nur einen Blick auf die Leinwand geworfen hat.
Die Tiere, die übrigens anders als bei Disney & Co kein einziges Wort sprechen, wobei sie allerdings durchaus angeregt miteinander kommunizieren, sehen nicht nur so schön aus, wie eigentlich nur die Natur sein kann. Jedes einzelne Lebewesen bekam einen deutlich erkennbaren eigenen Charakter spendiert, eine richtige Persönlichkeit. Diese t grundsätzlich zu den Verhaltensweisen, die wir von der jeweiligen Spezies erwarten würden. Nur ab und zu könnte das Benehmen der Fellnasen und gefiederten Freunde auch als Fabel in Bezug auf die Menschenwelt interpretiert werden.
An der Oberfläche sehen wir ganz unzweifelhaft eine Geschichte über den Versuch zu überleben, Zusammenhalt, den Erwerb von gegenseitigem Vertrauen und Freundschaft. Diese Aufgaben werden nicht mit einem gemeinsamen Lied im Schnelldurchlauf erledigt, sondern erfordern Zeit und Hingabe, und die Beziehungen der Tiere zu einander durchlaufen Höhen und Tiefen, gerade wenn ihre Instinkte immer wieder die Oberhand gewinnen.
Ausgesprochen faszinierend sind aber auch die Umgebungen, durch welche die Tiere reisen. Die menschenleere Welt wirkt irgendwie fremd, beinahe wie ein anderer Planet. Doch überall gibt es Spuren unserer Zivilisation: Gebäude, Statuen, Reste von Infrastruktur wie Brücken. Wo all unsere Artgenossen aber hin sind, können wir nur vermuten, wenn wir während der abenteuerlichen Reise überhaupt Zeit finden, viel darüber nachzudenken.
Der Verlauf der Handlung wird sehr organisch empfunden, und manche Ereignisse wirken tatsächlich eher rein zufällig, als auf einen großen Höhepunkt zulaufend geschrieben. So manche Rätsel bleiben bis zum Abspann ungelöst – nicht nur, weil es niemanden gibt, der sie uns mit Worten erklären könnte. Auch nonverbal bleibt Manches offen. Die tierischen Freunde, vor allem aber die Katze als Hauptfigur, helfen uns, inhaltlich dennoch bei der Stange zu bleiben.
Während der Konkurrent „Der wilde Roboter“ sein Publikum inhaltlich wesentlich stärker an die Hand nimmt, um seine wichtigen und rührenden Botschaften zu übermitteln, lässt „Flow“ bewusst Lücken, in denen man sich gewisse Elemente der Story auf Basis seines eigenen Erfahrungs- und Erlebnisschatzes selbst zu Ende erzählen darf. Ob man diese Art von Freiheit mag und genießen kann, ist eine Typfrage, die aber ganz gewiss zur Geschichte der wilden, ungezähmten Tiere im Einklang mit der Natur t. Der ungewöhnliche Erzählstil in Verbindung mit der aus dem Rahmen fallenden umwerfenden visuellen Ästhetik sorgt jedenfalls dafür, dass man eine Diskussion über die Rechtfertigung des Oscars für den besten Animationslangfilm 2025 nicht aufzumachen braucht.
]]>Um vor einem brutalen geprellten Kredithai zu fliehen, wissen Mickey und sein Freund Timo nur noch einen Ausweg: sie müssen sich für die Kolonialisierungmission des ehemaligen Abgeordneten Kenneth Marshall im Weltall bewerben. Timo ergattert sofort eine Stelle als Pilot, doch Mickey hat keine Qualifikationen, und so muss er auf einer Stelle als Expendable spekulieren.
Vier Jahre später im Weltall ist Mickey gestorben - und das bereits 16 Mal. Vertragsgemäß wurde sein Körper grundlegend gescannt und sein Erinnerungsvermögen auf einer externen Festplatte gespeichert. Sollte er während seiner Arbeit sterben, wird über einen 3D-Drucker umgehend ein neues Exemplar seiner selbst angefertigt. Nur einmal sind die wissenschaftlichen Mitarbeiter zu voreilig: Mickey 17 hat seine letzte Mission überlebt, so dass nun, da bereits sein Nachfolger hergestellt wurde, gleich zwei Exemplare von ihm existieren. Das führt nicht nur zu einigen Problemen, sondern kraft Gesetzes auch zur vollständigen Löschung...
Der koreanische Regisseur Bong Joon-ho hatte seine größten bisherigen Erfolge mit eher lauten Filmen und sozialkritischen Inhalten, wie z.B „Snowpiercer“ oder vor allen Dingen „Parasite“. In beiden Fällen gab es viel Raum für drastische Gewaltdarstellung und umherspritzendes Blut, doch das nie aus reiner Lust am Spektakel. Immer stand auch eine eindeutige Message damit in Verbindung. „Mickey 17“ ist im Vergleich dazu, zumindest was die Gewaltdarstellungen betrifft, geradezu brav und harmlos. Die Themen, um die es hier geht, sind hingegen nicht weniger wichtig oder anspruchsvoll.
So kann man die Daseinsformen der Expendables, die ihr Leben als Laborratten bzw. bessere Wegwerfware fristen, zum einen durchaus mit Klonen oder anderer künstlicher Erschaffung von Leben in Verbindung bringen. Allerdings wird der Sachverhalt dadurch auf die Spitze getrieben, dass die neu hergestellten Körper zudem auch noch die Erinnerungen ihres Vorbilds eingepflanzt bekommen. Eine neue Herausforderung für die Beantwortung dessen, wo menschliches Leben beginnt und wie viel dieses wert ist. Und das nicht nur betrachtet von außen, aus der Perspektive der Gesellschaft, sondern auch aus Sicht der betroffenen Person selbst. Denn was bedeutet sterben, wenn man weiß, in kürzester Zeit wieder zurückkehren zu können, fast wie in einem Computerspiel?
Dass es in der Weltraumkolonie, die so vielen ihrer zukünftigen Bewohner Hoffnung schenkte, wieder mal eher dystopisch zugeht und ein machtbesessener, egomaner Diktator dort das Zepter schwingt, versteht sich fast von selbst. Man schaue sich nur die vorgenannten Beispiele Bongs früherer Filme an, die in ganz verschiedenen Settings eine Parabel auf die koreanische Gesellschaft sein können, in der schon längst Superreiche und mächtige Konzerne anstelle der Regierung die Gewalt über das Land ausüben. Es soll gewisse andere Nationen auf der Erde geben, die gerade auf dem besten Wege dorthin sind.
Viele moralische bis philosophische Fragen dieser Art werden angekratzt, aber nicht wirklich tiefgängig behandelt. Möglicherweise im Hinblick auf die Laufzeit des Films. Das Publikum ist deswegen eingeladen, sich selbstständig weitere Gedanken zu solchen Dingen zu machen, wie dem Einfluss der beliebigen Reproduzierbarkeit auf das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, einander liebender Paare und die ganze menschliche Gesellschaft.
Hauptdarsteller Robert Pattinson in einer Vielfachrolle zeigt hier endlich und wohl notgedrungen mal ein gewisses emotionales Spektrum. Kein Wunder, ist er doch eine ganze Weile gleich mehrfach auf der Leinwand zu sehen und muss sich irgendwie von sich selbst abgrenzen. Mark Ruffalo und Toni Collette als Eheleute Marshall, die ihre Kolonie führen wie eine Sekte, spielen herrlich schräg und überspitzt und bringen eine satirisch-heitere Note in die ansonsten eher düstere Story ein.
„Mickey 17“ drückt einige richtige Knöpfe hinsichtlich interessanter Fragen wie Identität, Trennung von Körper und Seele, Bedeutung und Wert von Leben, wenn nichts endgültig ist und es immer wieder weitergeht. Ohne Alterungsprozess, ohne Risiken. Aber auch ohne Selbstbestimmung, Anerkennung oder Wert, der sich letztlich aus der eigenen Einzigartigkeit schöpft.
]]>Seit der Schließung der einzigen Schule im Ort arbeitet der kürzlich geschiedene Lehrer Lucas notgedrungen als Erzieher im Kindergarten. Er vermisst sehr seinen 14jährigen Sohn Marcus, der bei der Mutter lebt, demnächst aber unverhofft zu seinem Vater ziehen soll. Gerne kümmert Lucas sich einstweilen mit um die kleine Klara, die Tochter seines besten Freundes aus Kindertagen Theo, die offenbar Bedarf an einer erwachsenen Bezugsperson hat.
Als Klara aber eines Tages der Kindergartenleiterin Grethe erzählt, Lucas habe sie sexuell belästigt, wird dadurch eine Kette fataler Ereignisse in Gang gesetzt: Freundschaften und Vertrauensverhältnisse drohen zu brechen, Lucas verliert seinen Job, gerät ins Visier der Polizei und wird im ganzen Ort geächtet. Selbst der Umzug seines Sohnes Marcus liegt nun erst einmal auf Eis, und Lucas fragt sich verzweifelt, auf wessen Unterstützung er noch bauen kann, und wann wohl der Alptraum wieder endet...
Regisseur Thomas Vinterberg und Hauptdarsteller Mads Mikkelsen sind ein tolles Team. Zwar haben sie noch nicht häufig zusammengearbeitet, doch bisher kamen immer außergewöhnliche Filme zu anspruchsvollen und kontroversen Themen dabei herum. So auch in „Die Jagd“, einem Begriff, dem gleich mehrere Bedeutungen gegeben werden. Gehen zunächst Lucas und seine Freunde gemeinsam in den Wald, um mit ihren Gewehren Hirschen nachzustellen, ist es später Lucas selbst, der aufgrund einer fatalen sozialen Dynamik zur wandelnden Zielscheibe in seinem Heimatort wird.
Das gezeigte Sujet ist dabei durchaus heikel. Denn bei den meisten Fällen sexueller Belästigung, Missbrauchs oder Vergewaltigung gibt es keine unbeteiligten Zeugen, die man befragen könnte, und wie auch hier steht dann oftmals Aussage gegen Aussage. Ohne Frage ist ein solcher gewaltsamer Einbruch in die Intimsphäre eines Menschen ein schlimmes und vor allem folgenreiches Verbrechen, umso schlimmer bei einem Kind, das dadurch für sein ganzes restliches Leben traumatisiert werden kann. Und doch beruht unser Rechtssystem darauf, juristische Schuld nur im Falle eindeutiger Beweise erkennen zu dürfen.
Anders sieht es mit moralischer Schuld, sowie mit inoffiziellen Formen der Bestrafung durch die Gesellschaft aus. Bevor Lucas eine Chance hat, sich zu verteidigen, ja sogar bevor er überhaupt mit den konkreten Vorwürfen gegen ihn konfrontiert wird, beginnt sein Umfeld, auf den potentiellen Kinderschänder zu reagieren. Was mit Vermeidung und Ausgrenzung beginnt, steigert sich bis in offene Aggressionen hinein. Einen Ausweg scheint es schon bald nicht mehr zu geben.
So interessant und bewegend diese Beobachtungen sind, begibt sich der Film dennoch auf eine Gratwanderung. Denn während durch derartige Vorwürfe tatsächlich die gesamte Existenz eines Menschen nachhaltig zerstört werden kann, selbst wenn er sich im Nachhinein als unschuldig erweisen sollte, sind das Hauptproblem wohl doch nach wie vor die Opfer von Sexualdelikten, denen nicht geglaubt wird, oder die sich gar nicht erst trauen, über ihre durchlittenen Erfahrungen zu sprechen.
Dass „Die Jagd“ trotz dieser Route durch schwierige Fahrwasser auf ganzer Linie überzeugt, liegt an dem von vorne bis hinten glänzend performenden Cast, der in seinem Verhalten eine beeindruckende Natürlichkeit und damit auch Glaubwürdigkeit an den Tag legt. Auch wenn Mikkelsen durch seine Berühmtheit und seine Ausstrahlung wie immer in skandinavischen Filmen Blickfang für das internationale Publikum ist, wirkt er durch die geschlossen gute Leistung des gesamten Ensembles dennoch nicht wie ein Hollywood-Star unter lauter Provinzdarstellern, sondern fügt sich sehr harmonisch ein. Hier ist schlicht nichts zu viel und nichts zu wenig, eine dramatische Geschichte wird logisch und fesselnd erzählt, und arbeitet noch für lange Zeit im Kopf. Und dies sind die Komponenten, die erwachsenes, reifes Kino ausmachen.
]]>Während Martin und Allie, ein frisch verliebtes junges Pärchen, sich auf einer Halloweenparty und beim Bowling langsam näherkommen, erlebt Filmvorführer Stuart parallel dazu an seinem Arbeitsplatz im örtlichen Kino keine so schöne Zeit: wegen seiner jahrzehntelangen Erfahrung hatte er sich geweigert, an einer Schulung für moderne Projektoren teilzunehmen, und wird nun nur noch als Popcornverkäufer oder Reinigungskraft eingesetzt.
Stuart sinnt auf Rache gegenüber seinem Boss und der jungen Generation, die sich so schrecklich respektlos benimmt und keine Ahnung davon hat, was gute Filme sind. Da kommt es ihm gerade recht, dass Allie und Martin die einzigen beiden Gäste in der Mitternachtsvorstellung von „The Hills Have Eyes 2“ sind. Als letzter noch anwesender Angestellter kann er die jungen Leute für sein eigenes kleines Filmprojekt einspannen – ob sie wollen oder nicht...
Wer „Robert Englund“ sagt, der sagt meistens auch „Freddy Krueger“. Schließlich ist dieser bisher nicht weniger als acht Mal in die verbrannte Haut und den rot-schwarz gestreiften Pullover des ikonischen Angstmachers geschlüpft, was ihm zu weltweitem Ruhm und dem Status einer Kultfigur verholfen hat. In „Final Cut – Die letzte Vorstellung“ von Regisseur Phil Hawkins hat er zwar keine Scherenhände, führt jedoch trotzdem nichts Gutes im Schilde.
Angelehnt an die „Scream“-Reihe (wie „The Hills Have Eyes“ ebenfalls von Wes Craven) wird das gewählte Setting genutzt, um über Stärken und Schwächen von Filmen, insbesondere des Genres Horror, zu sprechen. Vor allem Martin steht der Angelegenheit von vorneherein skeptisch bis ablehnend gegenüber. „Einer ist so schrottig wie der andere, und du weißt schon vorher wie sie ausgehen“, kritisiert er, während er auf sein Popcorn wartet. Hollywood liefere „ständig diese vorhersehbaren, formelhaften und billigen Fließbandfilme ab, um sie nochmals zu kopieren“. Die Qualität werde dabei „schlechter und schlechter“.
Indem man einem seiner Protagonisten so harte Worte in den Mund legt, steigt natürlich wie von selbst die Erwartungshaltung an die eigene Produktion – und dieser kann sie leider, wenn überhaupt, nur teilweise gerecht werden. Ja, der immer wieder gütig lächelnde Englund, der offensichtlich Freude an den Bosheiten seines Charakters hat, transportiert jene Freude auch gut über den Bildschirm ins Wohnzimmer, lebt dabei aber auch von seinem zuvor über Dekaden hinweg erworbenen Kultfaktor. Der restliche Cast, im Wesentlichen bestehend aus drei Personen, spielt lediglich gemessen am Genre auf ausreichendem bis ordentlichem Niveau.
Ein Slasher ist „Final Cut – Die letzte Vorstellung“ nicht – dafür gibt es allein schon zu wenige Opfer. Jump Scares gibt es praktisch auch keine, und so bleibt letztendlich vor allen Dingen der Nervenkitzel durch das perfide Katz-und-Maus-Spiel Stuarts mit seinen Opfern. Am meisten gefällt da noch die Montage gleich zu Beginn, die intelligent geschnitten wurde, sowie gelegentlich die ganz clever eingesetzte Haustechnik im Kino. Dazwischen liegen dann doch häufig die zuvor selbst gescholtenen langweiligen Wiederholungen. Wer in der Lage ist, diverse mittelgroße Logiklöcher zu ignorieren, wird rund 80 Minuten lang leidlich gut unterhalten, und freut sich vielleicht als Cineast zumindest darüber, dass mal wieder ein Film fast ausschließlich an einem seiner Lieblingsorte spielt.
]]>Barbe-Nicole Clicquot-Ponsardin ist in tiefer Trauer! Ihr Ehemann François Clicquot, Besitzer eines Weinguts in der Champagne, ist soeben viel zu früh verstorben. Nun steht Barbe-Nicole mit der kleinen gemeinsamen Tochter Clémentine allein da, und ihr Schwiegervater Phillipe will das Anwesen verkaufen.
Die junge Witwe aber kann Phillipe überzeugen, ihr die Leitung der Geschäfte zu übertragen. Barbe-Nicole hat eine Menge frischer Ideen und will den Betrieb von Grund auf umkrempeln, was nicht nur auf Gegenliebe ihrer Belegschaft stößt. Der Weinhändler Louis Bohne jedoch nimmt den frischen Wind erfreut zur Kenntnis und will dabei helfen, napoleonische Handelsembargos zu umgehen...
„Die Witwe Clicquot“ von Regisseur Thomas Napper basiert auf dem Buch „The Widow Clicquot“ (deutsche Fassung: „Veuve Clicquot. Die Geschichte eines Champagner-Imperiums und der Frau, die es regierte“) der Kulturhistorikerin Tilar J. Mazzeo. Es wird erzählt von einer Frau zu Beginn des 19. Jahrhunderts, die beinahe ohne jegliche Fürsprecher auf ihrer Seite und unter Inkaufnahme persönlicher Opfer ihren eigenen Weg ging, der dem damaligen Zeitgeist noch erheblich widersprach.
Französische Ensemblemitglieder ließen sich anscheinend für diesen Film nicht auftreiben – die Hauptrollen werden unter anderem von Haley Bennett, Tom Sturridge und Sam Riley gespielt. Immerhin aber wurde wenigstens an Original-Schauplätzen in der französischen Champagne gedreht, was für wunderschöne Naturaufnahmen rings um die Weinberge in den unterschiedlichsten, ganz fantastischen Lichtstimmungen sorgt.
In Form vieler Rückblenden werden die Erinnerungen der Witwe Clicquot an ihren verstorbenen Mann visualisiert, der somit einen beträchtlichen Anteil an der Story einnimmt, obwohl diese erst mit den Vorbereitungen für seine Beerdigung beginnt. Ein gelungener Schachzug, um die so innige Bindung der beiden Eheleute zu transportieren. Auch wird damit erklärt, warum sich Barbe so sicher darin war, viele ihrer unkonventionellen Veränderungen hätten die Zustimmung ihres François gefunden.
Trotz nur knapp 90 Minuten Laufzeit, vieler Sprünge zwischen Vergangenheit und Gegenwart und einer zusätzlichen Liebesgeschichte, wodurch Barbe sich zwischen einem lebenden und einem toten Mann entscheiden muss, zieht sich die Handlung leider etwas hin. Ästhetisch ist alles ganz wunderbar, vielleicht fühlen sich auch Weinkenner von den Szenen der Champagnerherstellung besonders abgeholt. Doch was unterm Strich übrigbleibt, ist eine Aneinanderreihung von Herausforderungen, die Barbe Clicquot mit Tapferkeit, Fleiß und Durchhaltevermögen bewältigt.
Ohne Zweifel waren diese Frau und ihr Leben etwas Besonderes, haben zum Feminismus, zur Champagnerproduktion und zur Historie Frankreichs beigetragen. Doch taugt „Die Witwe Clicquot“ allein aufgrund dieser Tatsachen für einen abendfüllenden Spielfilm, der die Aufmerksamkeit und die Gunst seines Publikums durchgängig auf seine Seite ziehen kann? In dieser Form leider nur streckenweise, dann aber auf durchaus ordentlichem Niveau.
]]>Gleich zu Beginn ihrer Spätschicht im Basler Spital erfährt Krankenpflegerin Floria Lind, dass sie ihre Arbeit heute mit nur einer anderen Kollegin und einer Praktikantin stemmen muss. Die Station ist so gut wie voll belegt, mehrere Operationen stehen an, und einige sowohl altbekannte als auch neue Patienten erfordern ganz individuelle Betreuung.
Während Floria anfangs die Lange dank ihrer fachlichen Kompetenz und Routine mehr oder weniger im Griff zu haben scheint, muss sie aufgrund mehrerer unvorhergesehener Ereignisse die Schlagzahl noch deutlich erhöhen. Als aber nachhaltig und von allen Seiten immer mehr an ihr gezerrt wird, und körperliche wie seelische Belastung kaum noch zu bewältigen sind, steigt damit auch das Risiko für Fehler – und diese können fatale Folgen haben...
Schon als hochengagierte Nachwuchslehrerin mit ausgeprägten ethischen Maßstäben konnte Leonie Benesch überzeugen. Ihre Leidenschaft für Beruf und Gerechtigkeit war ansteckend, ebenso wie die Tragik, wenn sie drohte, an ihren eigenen Ansprüchen Schiffbruch zu erleiden. Ganz ähnlich verhält es sich erneut, wenn Benesch nun eine Krankenpflegerin spielt, die aufgrund von Personalknappheit irgendwie versuchen muss, den ganz normalen Alltagswahnsinn in Pflegeberufen zu wuppen.
Ob in Form freundlicher Bitten, erbärmlichen Flehens oder wüster Beschimpfungen: jeder Aufforderung zu helfen kommt Floria mit Engelsgeduld nach, zeigt Verständnis selbst für eher unwichtige Anliegen, ist jedoch gezwungen, im Hinterkopf fortwährend ihre Prioritätenliste neu zu sortieren, und dabei bloß nichts und niemanden zu vergessen. Man könnte auch sagen, die arme Frau hat fürchterlichen Stress. Dabei erkennen wir alle uns in manchen Sätzen der Patienten oder Angehörigen wieder, und merken: Patienten und Pflegende, beide Seiten haben recht, beide Seiten sind die Leidtragenden.
Alle paar Minuten entschuldigt sie sich nicht nur für Wartezeiten mit dem Hinweis, man sei „heute leider nur zu zweit“, sondern muss auch bei sämtlichen Patienten ihrer Station Blutdruck und Fieber messen. Wie hoch ihr eigener Blutdruck im Laufe der Schicht wohl steigt, mag man sich gar nicht vorstellen, denn selbst beim Beobachten dieser Heldin aus dem Kinosessel heraus besteht durch die wirklich gut transportierte Anspannung ein gesteigertes Risiko für Herzrasen. Dazu trägt auch bei, dass wir Floria ganz oft mittels Kamera aus der Verfolgerperspektive dicht auf den Fersen sind, wenn sie von einem Zimmer zum anderen durch den Flur rast. Doch Kilometergeld gibt es für Krankenschwestern leider nicht.
Ein bisschen schade ist die nicht ganz so toll geratene Nachvertonung einiger der Schauspieler*innen. Während Leonie Beneschs Lippenbewegungen perfekt zum Gesagten en, wirken die Äußerungen einiger anderer Personen wie schlecht synchronisiert, zumindest gemessen an den in Deutschland üblichen Standards. Gerade diese nur stellenweise auftretende Diskrepanz kann ein wenig die Immersion trüben. Davon abgesehen lässt sich aber bezogen auf die Technik, hinsichtlich Bild & Ton, Kamera, Requisiten und Kostümen kein Haar in der Suppe finden.
Eine der lobenswertesten Seiten an „Heldin“ ist das nicht vorhandene vollkommene Happy End. Einiges geht im Laufe der Schicht schief, was besonders frustrierend ist, wenn man sein Bestes gegeben hat, und nicht jeder dieser Fehler ist umkehrbar oder in irgendeiner Form wiedergutzumachen. So sehen wir noch einige weitere, womöglich nicht ganz so offensichtlich notwendige Qualitäten von Menschen in der Pflege: einstecken können, gerade wenn Vorwürfe unbegründet sind, am Tagesende Bilanz ziehen und das Gute festhalten. Alles ertragen für die wenigen dankbaren Momente, in denen man spürt, bei allen limitierten Möglichkeiten wichtig zu sein. So, wie als ein Patient Schwester Lind mit Hoffnung im Blick fragt, ob sie morgen auch wieder da sei, und diese das glücklich lächelnd bestätigt.
Absolut gewollt lässt uns Regisseurin Petra Volpe allerdings mit der bangen Frage zurück, ob und wie lange solche Momente reichen, sich diesem Beruf weiterhin dauerhaft aussetzen zu können und wollen.
]]>Der Bauingenieur Rubens und seine Ehefrau Eunice führen mit ihren fünf Kindern ein glückliches Familienleben in Rio de Janeiro. Ihr Haus liegt fast direkt am Strand, sie können jeden Tag schwimmen gehen und genießen ihre innige und humorvolle Bindung miteinander. Doch die Unbeschwertheit erfährt erste Risse, seitdem eine Militärregierung in Brasilien die Macht übernommen hat.
Aus Sorge, ihre älteste Tochter könnte sich mit Beginn des Studiums einer linken Bewegung anschließen und sich dadurch in Gefahr bringen, schicken sie diese zunächst zu Freunden nach London. Für die restliche Familie halten die Eltern den Zeitpunkt zur Flucht noch nicht für gekommen. Dann aber wird Rubens von unbekannten Männern zu Hause abgeholt und mitgenommen...
Regisseur Walter Salles' zehnter Kinofilm "Für immer hier" ist vielleicht sein persönlichster, war er doch früher selbst mit den Kindern der echten Eunice und Rubens Paiva befreundet und ging in deren zu Hause ein und aus. Keine Frage, dass er den autobiographischen Roman von Marcelo Paiva über dessen Familiengeschichte lesen würde. Dabei verliebte er sich nach eigener Aussage so sehr in Marcelos Beschreibung seiner Mutter, dass er unbedingt diesen Film machen wollte.
Eunice, gespielt von Fernanda Torres, ist daher auch Dreh- und Angelpunkt der Handlung. Als ihre bis dahin so deutlich von Liebe, Harmonie und Witz geprägte Familie bedroht wird, sieht sie sich nicht nur übermenschlichem Druck ausgesetzt, sondern verfolgt auch noch das feste Ziel, ihren Nachwuchs nichts davon bemerken zu lassen, was gerade vorgeht. Schwer genug, wird doch schon sehr früh in der Story die angenehme Atmosphäre immer wieder durch Soldaten unterbrochen, sei es durch handfeste Repressalien oder auch nur subtil durch deren Präsenz.
Torres beschrieb es in diesem Zusammenhang als große Herausforderung, auf Bitten von Salles so minimalistisch wie möglich zu spielen. So sollte möglichst viel der echten Eunice zu sehen sein, und die unterdrückten, verstecken Emotionen berühren in der Tat umso intensiver. Um dies zu erreichen, wurden sogar alle Bilder, in denen man Eunice weinen sieht, nachträglich noch herausgeschnitten.
Einige Details werden zudem in indirekten Bildern erzählt oder viel mehr angedeutet. Die Darstellung ausgesprochener Brutalität muss man nicht fürchten, denn äußerst gnädig erlaubt uns die Kamera in kritischen Momenten, in die andere Richtung zu schauen. Es gelingt trotzdem, den Schrecken eines Terror-Regimes, das die eigene Welt immer kleiner und enger werden lässt, zu vermitteln. Eines Regimes, wie es sie seitdem immer wieder weltweit gab und auch heute noch gibt. Manche Nationen sind gerade wieder auf dem besten Wege dorthin.
Parallel zu den Dreharbeiten, während der Präsidentschaft Bolsonaros, wurde Salles daran erinnert und darin bestätigt, dass der Weg aus der Demokratie in eine Diktatur kürzer sein kann, als man es sich vielleicht vorstellt. Argentinien hat einen Milei, und in den USA hat die offene Diskriminierung und Bekämpfung verschiedener Minderheiten erst begonnen.
Gerade durch die eingangs so herzerwärmend gezeigte Familie, woran das ganze Ensemble seinen Anteil hat, empfindet man die folgenden Ereignisse derart erschütternd dass sie niemanden kalt lassen. Dabei sind sie schon für sich genommen der Alptraum aller Menschen. Im Angesicht absoluter Machtlosigkeit dennoch nie aufzugeben, zu kämpfen und dabei sogar zu lächeln, ist dessen ungeachtet die schöne und aufbauende Message von "Für immer hier", mit der man uns nach Hause schickt - zurück in unsere Welt, die darauf wartet, von uns besser und gerechter gemacht zu werden. Ein würdiger bester internationaler Film bei den Academy Awards 2025.
]]>Im Sommer des Jahres 1990 steht die Wiedervereinigung zwischen Bundesrepublik und Deutscher Demokratischer Republik unmittelbar bevor. Bereits jetzt kündigen sich die negativen Effekte der Wende für die Bürger der DDR an: wie ein Virus breitet sich Arbeitslosigkeit im Umfeld von Maren, Robert und ihren Kindern Jannik und Dini aus. Die Gemeinschaft in ihrem Halberstädter Wohnblock sieht ungewissen, aber definitiv schweren Zeiten entgegen.
Ausgerechnet jetzt kehrt Roberts und Marens bester Freund Volker zurück, der vor ein paar Jahren ohne Vorwarnung einfach in den Westen abgehauen war, und mit Maren ein Geheimnis teilt. Und dann erregen nächtliche Transportfahrzeuge in Richtung eines alten Stollens die Aufmerksamkeit der Gruppe. Durch einen glücklichen Zufall weiß Roberts Onkel „Marke“, wie man ungesehen hineinkommt...
Natja Brunckhorst wurde damals bekannt als „Christiane F.“ aus „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“. Mit „Zwei zu eins“ legt sie nun 2024 ihren zweiten Film als Regisseurin vor, für den sie in Anlehnung an eine wahre Geschichte auch das Drehbuch schrieb. Öffentlich bekannt ist lediglich, dass im zeitlichen Umfeld der Wende ein erheblicher Betrag an eigentlich bereits wertlos gewordenen Ostmark auf ungeklärte Weise abhanden kam.
Um diese Rudimente herum entwarf Brunckhorst eine Story bestehend aus viel Ostalgie, verbunden mit einem Liebesdreieck und abgeschmeckt mit ein bis zwei Prisen Heist-Movie. Dieses Rezept, muss man beim Probieren feststellen, ist zu einem gewissen Grad Geschmackssache, weil die Kombination der Zutaten manchmal einen gewagten, ungewohnten Eindruck macht. Und natürlich wird dieser Geschmack auch davon geprägt, woran man gewöhnt ist, und was schon seit der Kindheit regelmäßig auf den Tisch kam.
Deswegen wäre mit Sicherheit sehr spannend zu betrachten, wie unterschiedlich Menschen aus Ost- und Westdeutschland diesen Film wahrnehmen und bewerten. Immerhin haben viele der Darsteller*innen die ehemalige DDR noch selbst erlebt, was zumindest für eine gewisse Authentizität spricht, wenn sie auch damals noch deutlich jünger waren als die von ihnen verkörperten Figuren aus dem Jahr 1990. Ohne Frage war es eine sehr aufregende und herausfordernde Zeit, als die erste Euphorie über die hart erkämpfte Freiheit der Ostdeutschen langsam abebbte und einer Unsicherheit, ja vielfach sogar einer herben Ernüchterung wich. Einer Angst, im Zuge des Anschluss an die BRD unter die Räder zu kommen.
Sandra Hüller darf hier, nachdem sie in den zwölf Monaten zuvor als Frau eines Lagerkommandanten im Dritten Reich und potentielle Mörderin ihres Ehemanns in den französischen Alpen im Rampenlicht stand, erfolgreich eine weitere Facette ihres vielseitigen Könnens unter Beweis stellen. Hier ist sie mal eine „ganz normale“ Frau, die sich gegenüber allen anderen Zeitgenossinnen nicht gerade in sonderlich exponierter Stellung befindet – abgesehen davon, dass es ihr spielend leicht gelingt, Männer mit ihrer frischen und lebhaften Art um den Finger zu wickeln. Entsprechend harmonisch und gut funktioniert auch das Zusammenspiel mit Max Riemelt und Ronald Zehrfeld, alias Robert und Volker, deren langjährige Freundschaft im Grunde schon immer durch die geteilte Zuneigung für Maren auf die Probe gestellt wurde. Auch Martin Brambach, Ursula Werner & Co machen ihre Sache super.
„Zwei zu eins“ zeigt eine auch moralisch schwierige Phase in der Geschichte Deutschlands. Menschen, die daran gewöhnt waren, dem Staat zu misstrauen und nun Angst davor hatten, von ihrer neuen Regierung im Stich gelassen oder sogar ausgebeutet zu werden, nehmen in dieser Story ihr Schicksal erneut in die eigenen Hände, was zunächst zu Uneinigkeiten, dann aber zu echter Geschlossenheit, und schließlich zu einer erschütternden, desillusionierenden Erkenntnis führt. Trotz der rein rechtlich extrem fragwürdigen Aktion stellt sich im Publikum doch ein Gefühl ein wie bei Robin Hood und seinen Mannen aus dem Sherwood Forest, die Reiche bestehlen, um den Armen zu helfen, und unterm Strich für mehr Gerechtigkeit zu sorgen. Spätestens das Finale hat dann allerdings doch ein wenig etwas von einer Verklärungsparade und wirkt in jeglicher Hinsicht arg auf Happy End getrimmt, um nicht zu sagen gebogen. Ganz selten jedoch ist die Wahrheit womöglich noch schräger als jegliche denkbare Fiktion.
]]>Nachdem ihre Heimatgemeinde in Detroit aufgelöst wurde, folgt Schwester Cecilia dem Ruf des Pater Tedeschi und schließt sich einem italienischen Kloster draußen auf dem Land an. Trotz ihrer noch ausbaufähigen Sprachkenntnisse wird sie überwiegend herzlich und freundlich aufgenommen. Das Kloster ist eine Art Hospiz für ältere Schwestern, die am Ende ihres Lebens gepflegt werden müssen.
Noch vor der Zeremonie zum Ablegen ihres Gelübdes bemerkt Cecilia erste ungewöhnliche Ereignisse, die sich im Laufe der Zeit häufen. Zudem verschlechtert sich ihr körperliches Wohlbefinden. Gemeinsam mit ihrer neuen Freundin und Zimmernachbarin, Schwester Gwen, versucht sie den Dingen auf den Grund zu gehen...
Hauptdarstellerin und Koproduzentin Sydney Sweeney schlüpft für ihren jüngsten Film „Immaculate“ in eine Nonnentracht. Sehr böse Zungen würden nun behaupten, damit kämen ihre beiden größten schauspielerischen Talente gar nicht zur Geltung. Doch kann ich einer so gemeinen Unterstellung nicht zustimmen, denn einerseits geht Sweeney gleich mehrfach im weißen Nachthemd baden, und zum anderen (und nun ganz im Ernst) gehört ihr Spiel noch zu den besseren Attributen des Films.
Elisha Christian hat zwar durchaus mit ihrer Kamera schöne Bilder eingefangen, vor allem was die Farben und die Lichtstimmung betrifft. Auch die Szenen im Dunkeln, sollte man lobend erwähnen, transportieren die gewollte Finsternis, lassen dennoch ausreichend viel erkennen. Die Story aber ist schnell recht vorhersehbar und bietet kaum frische Ideen an. Atmosphäre kommt auf, nur die obschon gut gesetzten Jump Scares sieht man zu lange im Vorhinein kommen.
Zieht man den kurzen Prolog und die End Credits ab, bleiben für die Handlung gerade einmal noch eine Stunde und fünfzehn Minuten übrig. Nicht, dass ich mir von ganzem Herzen eine längere Laufzeit gewünscht hätte, aber es ist wahrscheinlich weniger die Kürze des Films, die mehrere Zeitsprünge erfordert, als eher die Ereignislosigkeit aufgrund einer nicht hinreichend ausgearbeiteten Story, wegen der wir ein gutes Dreivierteljahr zum Teil nur im Schnellvorlauf verfolgen. Dazwischen ist nichts, sollte aber etwas sein. Etwas, das Fragen beantwortet, Logiklöcher stopft, oder im Optimalfall wenigstens Schauwerte bietet und das Interesse hochhält.
Inmitten von alledem befindet sich Sweeney, tut wirklich ihr Bestes, schreit sich beeindruckend ihre Lungen aus dem Leib und leistet vor allem im Finale schier Übermenschliches. Und das ist wörtlich zu verstehen: gerade viele Frauen werden nur ungläubig den Kopf schütteln.
„Immaculate“ kann man als Argument dafür heranziehen, dass alle Religionen, nicht nur die aus unserer Sicht exotischen, irgendwie ein bisschen komisch sind mit ihren Traditionen, Gebräuchen und Riten. Natürlich ist Vieles daran überzogen und entspringt einer reichlich lebhaften Fantasie von Autor Andrew Lobel. Sweeney hat sich als Produzentin auch finanziell sehr für die Umsetzung des Films stark gemacht. Wer auf der Suche nach viel Atmosphäre, leichtem Grusel und einer Prise Exploitation ist, kann versuchen, sich ihrer Begeisterung für den Stoff anzuschließen und der Geschichte eine Chance geben. Eine Todsünde ist nicht dabei herumgekommen, aber man sollte eben auch von vorneherein nicht zu viel erwarten.
]]>Seit Jahren sitzt John „Divine G“ Whitfield zusammen mit Mördern und anderen gefährlichen Verbrechern im Hochsicherheitsgefängnis „Sing Sing“ ein. Der deprimierende Alltag der Häftlinge wird lediglich durch die Teilnahme am Programm der „Rehabilitation Through the Arts (RTA)“ ein wenig erträglicher gemacht. Beim Spielen auf der Theaterbühne können die Insassen vorübergehend die triste Realität ignorieren und unbefangen in Kontakt mit sich und ihren Gefühlen kommen.
John schreibt in seiner Zelle selbst Theaterstücke und findet viel Halt in der Anerkennung, die ihm seine Gefährten für sein künstlerisches und soziales Bemühen zollen. Dann aber reißt Neuzugang Clarence „Divine Eye“ Maclin zunächst sofort eine Führungsrolle in der Truppe an sich, nur um anschließend die Probenarbeiten durch sein fehlendes Engagement zu sabotieren. John und die anderen müssen einen Weg finden, sich ihren so wichtigen Ort der Solidarität zu bewahren, und auch in dieser so aggressiven und feindseligen Umgebung nach einer friedfertigen Lösung suchen. Immerhin hoffen sie alle Tag für Tag darauf, dass einer ihrer Bewährungsanträge bewilligt werden könnte...
„Sing Sing“ ist erst der zweite Spielfilm von Regisseur, Co-Autor und Co-Produzent Greg Kwedar, der auf einer wahren Geschichte und dem tatsächlich existierenden Programm zur Rehabilitierung durch die Kunst (RTA) beruht. Ein weiterer der insgesamt drei Autoren des Drehbuchs, Brent Buell, hat selbst in der Vergangenheit als Gefangener in Sing Sing an eben diesem Programm teilgenommen, wodurch die Story auch einige autobiographische Züge enthält.
Noch authentischer wird die Produktion dadurch, dass abgesehen von einigen wenigen professionellen Schauspielern wie Colman Domingo in der Hauptrolle des „Divine G“ überwiegend ehemalige Häftlinge für die weiteren Rollen gecastet wurden. Die Darsteller wussten dadurch nicht nur ganz genau, wie ihre Charaktere sich wohl fühlen, sondern erhalten im bestmöglichen Fall nach ihren ersten schauspielerischen Schritten in der Haft durch diesen Film die Chance auf einen Neuanfang in einem künstlerischen Beruf.
Nicht, dass sie diese Starthilfe bezogen auf ihr Talent brauchen würden. Domingo fügt sich perfekt in die Gruppe seiner Kollegen ein, und man erkennt nur selten einen Unterschied im Leistungsniveau der Akteure, wenn auch zugegeben einige der Nebenrollen längst nicht so anspruchsvoll sind wie das, was der 45jährige hier zeigt, und was ihm die zweite Oscar-Nominierung hintereinander eingebracht hat.
Mag auch die Handlung keinen Innovationspreis gewinnen, die Umsetzung hätte in jedem Fall eine Auszeichnung verdient. Dank eines sehr feinfühligen, sensiblen Skripts werden uns Männer gezeigt, die – ob sie ihrer bezichtigten Gewaltverbrechen schuldig sind oder nicht – wie wir alle Gefühle haben, ihre Partnerinnen und Kinder vermissen, und irgendeinen Anker benötigen, um sich in ihrer Situation nicht völlig aufzugeben. Verfehlungen, egal wie schlimm, nehmen uns weder unsere menschliche Seite, noch sollten sie uns für immer definieren oder uns das Recht auf Empfindungen und Bedürfnisse absprechen. Wie rührend sich die Mitglieder der Theatergruppe deswegen um einander kümmern, wie überglücklich sie ihre Vorbehalte überwinden und durch das Auditorium tanzen, wie sie erneut lernen, selbst Mensch zu sein und auf die Menschlichkeit ihrer Mitstreiter zu vertrauen, das alles hat an einem denkbar düsteren Ort positive und optimistische Vibes, die wir gut gebrauchen können und sie uns zum Vorbild nehmen dürfen.
Dankenswerterweise gibt es niemanden auf der Leinwand, an dem wie an einem modernen Messias alles Leid und alle Sorgen abperlen würden, und der sich stets selbstlos ausschließlich um das Wohl der anderen kümmert. Nein, sogar der intellektuelle und so sozial eingestellte „Divine G“ hat seine Momente des Frusts oder der Wut, wenn ihm alles zu viel wird und er dringend Dampf ablassen muss, wenn es mal so scheint, dass all seine selbstlosen Aktivitäten weder wahrgenommen werden noch von Erfolg gekrönt sind. Und zu sehen, wie das Gefüge gemeinschaftlich am Ball bleibt und schließlich selbst härteste Tiefschläge übersteht, ist unglaublich befriedigend.
Eine ganz leise und nachdenkliche Story hat sich ihre drei Oscar-Nominierungen verdient. Neben Colman Domingo als bester Hauptdarsteller könnten auch das Drehbuch oder der Song „Like A Bird“ von Adrian Quesada und Abraham Alexander ausgezeichnet werden. Die Konkurrenz in allen drei Bereichen ist stark, und ruhige Filme haben es oft etwas schwieriger, sich durchzusetzen. Doch ist „Sing Sing“ mit oder ohne Academy Awards ein beeindruckendes und nachhaltig in Erinnerung bleibendes Erlebnis, dessen Beteiligte schon jetzt Grund genug haben, stolz auf sich zu sein.
]]>1961: Der gerade einmal 20-Jährige Bob Dylan reist von seiner Heimat im Mittleren Westen der USA nach New York, um dort Woody Guthrie, eines seiner größten musikalischen Idole, im Krankenhaus aufzusuchen. Er trifft ihn dort tatsächlich an, zusammen mit dem Folk-Sänger Pete Seeger, der seinen Freund und Kollegen so oft wie möglich besucht. Bob spielt beiden auf der Gitarre vor, und die arrivierten Stars sind so begeistert, dass sie Bobby eine Chance geben und ihn fördern wollen. So trifft er auch auf die Sängerin Joan Baez und seine spätere Freundin Sylvie.
1965: Die Berühmtheit, die Bob Dylan mittlerweile erlangen konnte, erdrückt ihn förmlich. Er fühlt sich vollständig seiner Freiheit beraubt, und verliert beinahe die Leidenschaft an der Musik, die er gerade im Begriff ist, in eine völlig neue Richtung zu lenken. Wer hätte gedacht, dass die gleichen Leute, die bis vor kurzem noch von seinem Erfolg profitierten und ihm zujubelten, nun nicht tolerieren, in welche Richtung Dylan sich entwickeln will...
Basierend auf dem Buch "Dylan goes electric!" von Elijah Wald führte James Mangold Regie und schrieb das Drehbuch zum neuen Biopic "Like A Complete Unknown" über die schon zu Lebzeiten mit Legendenstatus ausgestattete Ikone Bob Dylan. Gerade bei einer noch lebenden zeitgenössischen Personen ist die Herausforderung einer filmischen Biografie groß.
Ein beträchtlicher Teil des Publikums hat bereits sein eigenes genaues Bild vom Protagonisten, und viele dieser Eindrücke müssen nicht zwingend mit der objektiven Realität übereinstimmen, sofern es eine solche überhaupt gibt. Gerade deswegen jedoch ist es in solchen Fällen auch nicht wichtig, exakte Zitate zu verwenden oder markante Ereignisse minutiös abzubilden. Wichtiger ist, insgesamt einen stimmigen und authentischen Ton zu treffen. Und dies scheint Mangold und seinem Star Timothée Chalamet gelungen.
Wenn sich auch vereinzelt Dialoge sehr pragmatisch und funktional in Bezug auf die Handlung anfühlen, sagen die beteiligten Personen in jenen Momenten doch fast immer genau das Richtige. So erklärt beispielsweise Dylan der zu jenem Zeitpunkt bereits viel weiter in ihrer Karriere fortgeschrittenen Joan Baez, dass man polarisieren müsse, um erfolgreich zu sein. Entweder wunderschön oder abgrundtief hässlich, aber niemals gewöhnlich. Und genau dies hat Dylan in jeglicher Hinsicht konsequent befolgt, sei es musikalisch oder auch bezogen auf seine Persönlichkeit und sein Verhalten. Es gelingt, eine extrem ambivalente Person zu porträtieren, die einerseits genial im Bezug auf ihre Musik und Texte ist, sich andererseits stets extrem freiheitsliebend und unabhängig verhält – man könnte je nach Perspektive auch sagen: wie ein arroganter Arsch.
Wer Musik nicht liebt, vor allen Dingen Folk, Blues oder Country, wird mit diesem Film keine Freude haben. Denn Dylans Leidenschaft und Begeisterung für das Komponieren, Spielen und Singen (alles ausgezeichnet performt von Chalamet selbst) wird zurecht ausgiebig thematisiert. Wir sehen einen noch jungen Mann, der bereits sehr überzeugt von sich ist, jederzeit die richtige Richtung zu kennen glaubt, und für den mögliches Scheitern gar nicht erst vorzukommen scheint.
Wir erleben auch mehrere Frauen an der Seite des legendären Musikers, die ihn jedoch, so liebevoll sie ihn auch behandeln, aus seiner Sichtweise heraus nur unerträglich einzuengen scheinen. So nimmt er sich, was er gerade braucht, ohne dafür Versprechungen zu machen oder langfristige Bindungen einzugehen. Sylvie, eine seiner Freundinnen, die darunter zu leiden hat, bringt die für sie kaum auszuhaltende Situation mit einem sensationellen Vergleich fantastisch auf den Punkt.
Ob nun Bob Dylan wirklich ein genialer Musiker war, oder mit seinem nervigen Mundharmonikaspiel und dem monotonen Gesang eher hoffnungslos überschätzt? War und ist er ein liebenswerter und leidenschaftlicher Mensch, oder eher ein rücksichtsloser Egozentriker? Auf all diese Fragen gibt "Like A Complete Unknown" nicht unbedingt eindeutige Antworten.
In gewisser Weise bleibt der Musiker und Mann hier die namensgebende große Unbekannte aus dem Song "Like A Rolling Stone". Der Film zeigt jedoch, was er vor allen Dingen zeigen wollte: dass Bob Dylan eine äußerst streitbare, kontroverse und damit faszinierende Person der Zeitgeschichte ist, der ein Biopic mit einem so tollen Cast wie diesem, jeder Menge toller Musik und absolut ender Stimmung gebührt.
]]>Mein persönliches Ranking der 10 nominierten Kandidaten für "Bester Film" bei den Oscars 2024.
My personal ranking of the 10 nominated movies for "Best Picture" at the Oscars 2024.
]]>Liste aller Asterix-Zeichentrickfilme
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